Alternativen statt Mehr vom Selben
Wenn Sie sich für ein Coaching entschieden haben, haben Sie sich vermutlich mit Ihrem Anliegen schon länger und intensiver beschäftigt. Sie haben eventuell schon verschiedene Möglichkeiten (an)gedacht, ausprobiert und sind mit den üblichen Kommunikations- und Verhaltensweisen damit aber gegebenenfalls gescheitert.
Manchmal haben wir einen Knoten im Kopf oder Bauch, stecken irgendwie fest, kommen nicht weiter und sehen keine Möglichkeiten einer effektiven Veränderung.
Irgendwas in uns sagt uns, dass da was nicht passt. Nicht erfüllte Bedürfnisse lassen uns ein Veränderungsanliegen spüren. Nur funktionieren die üblichen Muster nicht. Es gilt sich auf die Suche zu machen nach „Alternativen statt mehr vom Selben“.
Unsere Handlungsmuster
Wie wir Menschen ticken - Das Bewusstseinsrad
Was wir von unserer
- Außenwelt wahrnehmen (sehen, hören, …),
- bewerten wir basierend auf unseren Interessen, Werten, Bedürfnissen, Überzeugungen, Erfahrungen und Vorurteilen was wiederum eine
- Wirkung in unserer Gefühlswelt hat. Diese Wirkung kann neutral, angenehm oder unangenehm sein.
- Diese Gefühlszustände geben wir mit unserem Verhalten / unserem Handlungsmuster wieder.
Diese oben beschriebene Abfolge wird auch als Bewusstseinsrad beschrieben.
- Wahrnehmung: Ich sehe, höre, rieche, …
- Interpretation: Ich denke, meine, vermute, interpretiere, …
- Gefühle: Ich empfinde, spüre, fühle, …
- Beabsichtigung: Ich möchte, würde am liebsten, …
- Handlung: Ich entscheide mich für, ich tue, …
Erste Lösungsversuche mit dem Ziel einer Veränderung
Letztlich sind nicht erfüllte Bedürfnisse dann Ursachen für Veränderungsanliegen: Weg von etwas oder hinzu etwas.
Tatsächlich stellen unangenehme Gefühlszustände, Körper-befindlichkeiten und Verhaltensmuster bereits Lösungs-versuche mit dem Ziel einer Veränderung dar.
Nur funktionieren die üblichen Muster eben oft nicht. Es gilt sich auf die Suche zu machen nach „Alternativen statt mehr vom Selben“. Es gilt gewohnte Muster zu überdenken und ressourcenorientiert Alternativen anzugehen.
Musterunterbrechung / Coaching als die Kunst des konstruktiven Störens
Wenn ich als Coach gefragt werde, was denn Systemisches Coaching sei, antworte ich manchmal zunächst kurz: Coaching ist die Kunst des konstruktiven Störens.
Unter ‚konstruktives Stören‘ sind die im Coaching eingesetzten Interventionen gemeint, also Coaching-Methoden, -Tools und -Fragentechniken.
Aber schon hier soll eines vorweg gesagt werden: Ein systemischer Coach fungiert nicht als Berater in Form eines Experten. Vielmehr übt sich ein systemischer Coach in beraterischer Bescheidenheit.
Coaching-Interventionen
Unter Coaching-Interventionen sind also die zum Anliegen, Person und Kontext passend eingesetzten Methoden, Tools und Fragen im Coaching gemeint.
Coaching-Methoden sind dabei bildhaft gesprochen Werkzeugkoffer, die verschiedenste Werkzeuge (Coaching-Tools) beinhalten. Mittels dieser Werkzeugkoffer und den eingesetzten Werkzeugen können letztlich Veränderungs-wünsche des Coachees lösungsorientiert angegangen und umgesetzt werden.
Die im Coaching eingesetzten Fragen stellen hierbei praktisch die angewandte (Handwerks-)Technik dar.
Coaching-Methoden
Hypnosystemische Methoden
Unter „hypnosystemisch“ versteht man die Kombination aus
a) den Erkenntnissen und Modellen der Hypnotherapie nach Milton Erickson und
b) dem systemisch-konstruktivistischen Denken.
Hier vermischt sich also der Blick auf
a) die internalen Prozesse aus der Hypnosystemik mit der Frage „Was passiert im Menschen selbst?“ mit dem Blick auf
b) die interaktionalen Prozesse der systemischen Denkweise mit Fragen wie „Was passiert im System, wenn ich hier was auslöse? Welche Auswirkung hat das noch?“
Problem talk creates problems
Die Definition eines Problems aus hypnosystemischer Sicht lautet: Ein Problem wird von denen, die es erleben, letztlich selbst-hypnotisch produziert durch die Art, wie sie ihre Wahrnehmung organisieren, wie sie Zielvisionen aufbauen und wie sie dabei versuchen, das Problem zu lösen.
„Selbsthypnotisch produziert“ bedeutet, dass die Aufmerksamkeit auf das Problem gerichtet ist. Man befindet sich in einer sogenannten Problemtrance, aus der es nur schwer möglich ist, an mögliche Lösungen zu denken und entsprechend lösungsorientiertes Verhalten zu zeigen. Vielmehr fällt man immer wieder in alte, nicht funktionierende Muster zurück.
Und noch mehr: Je mehr ich über das Problem nachdenke, desto mehr richtet sich unser Gehirn danach und fokussiert sich noch stärker auf das Problem. Kurzum: Problem talk creates problems.
Aufmerksamkeitsfokussierung auf die Lösung
Erste Ansätze um die Aufmerksamkeit wieder auf mögliche Lösungen des Problems zu richten und aus der Problemtrance zu kommen sind:
- Hinterfragen der Wahrnehmung: Wenn jemand sagt: „Nie schaffe ich es …“ könnte man z.B. hinterfragen, ob es wirklich „nie“ ist.
- Fokussierung auf ein positives Zielbild: Aufmerksamkeit auf die Ressourcen, bislang nicht bewusste Handlungsspielräume sowie neue Sichtweise und Perspektiven
Im Coaching werden beim Klienten also Impulse gesetzt, welche die Aufmerksamkeit des Klienten weg vom unerwünschten Zustand und hin zu einem erwünschen Denk-, Fühl- und Handlungszustand richtet.
Mögliche Tools und Ansätze
Um den Klienten in die Lösungstrance zu bringen, kann mit folgenden Ansätzen gearbeitet werden:
- Pacing & Leading: Andocken an den Klienten und anschließende Änderung der Aufmerksamkeitsfokussierung. Wenn der Klient z.B. in Bildern spricht wird darauf eingegangen, anstatt nach den Gefühlen zu fragen.
- Einsatz von Bildern: Intensive Beschäftigung und Reflektion oder auch um Ist- und Soll-Zusätnde über die Bilder darzustellen
- Arbeit mit Geschichten
- Gestaltungen aller Art (auch z.B. Lego Serious Play)
- VAKOG (visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch, gustatorisch): Arbeit auf unterschiedlich passenden Sinneskanälen
- Zielklärung (anstatt ausführliche Problemanalyse): Also die Imagination des Zielerlebens
- Fragetechniken mit Blick auf Ressourcenorientierung, Utilisation, Lösungsorientierung oder Skalierungsfragen
Anteilsarbeit
Bei dieser Methode beschäftigt man sich mit seinen verschiedenen Ich-Anteilen.
Inneres Team
Diese Methode basiert auf der inneren Pluralität des Menschen. Und der Begriff „Inneres Team“ ist eine Metapher für intrapsychische Vorgänge. Die inneren Teammitglieder arbeiten dabei miteinander, durcheinander und gegeneinander. Einige Teammitglieder werden schnell aktiv, andere später, manche sind lauter, andere leiser; und manche sind willkommener als andere. Innere Teamkonflikte sind sowohl unumgänglich als auch notwendig. Die Erkenntnisse haben auch Implikationen auf die Außenwelt: Die Interaktion zwischen zwei Personen ist im Wesentlichen das Zusammenspiel zweier innerer Teams.
Bei der Arbeit mit dem „Inneren Team“ gelten folgende Grundannahmen:
- Alle inneren Teile werden respektiert, gewürdigt und in ihren unterschiedlichen Bedürfnissen anerkannt.
- Konflikte im inneren Team führen zu Leid und Handlungsblockaden.
- Es gibt eine übergeordnete Instanz, welche das innere Team führt oder jedenfalls führen sollte.
In der Arbeit mit dem inneren Team geht man etwa in folgenden Schritten vor:
- Schritt 1: Identifikation der Teammitglieder
- Schritt 2: Übertragung für was die identifizierten Teammitglieder stehen
- Schritt 3: Die Teammitglieder treten in Dialog, setzen sich auseinander, geraten in Konflikt
- Schritt 4: Versöhnung, Wertschätzung und teilweise Akzeptierung
- Schritt 5: Teambildung und konkrete Entscheidung
Innere Antreiber
Im Kontext von z.B. Stressmanagement beschäftigt man sich gerne mit den ‚inneren Antreibern‘. Diese sind:
- Sei perfekt!
- Mach es allen recht!
- Sei stark!
- Streng Dich an!
- Sei schnell!
Die Arbeit mit diesem Tool fällt auch unter die Methode Anteilsarbeit.
Wertequadrat / Wertveränderungsmodell
Bei dieser Methode wird zu jedem Veränderungsanliegen ein Gegenpol erzeugt. Das heißt: Auf der einen Seite werden Vorteile / Nutzen / Gewinn bewertet; auf der anderen Seite Nachteile / Risiken / Gefahren.
Diese Methode kann einen dabei unterstützen einen imaginären Regler zwischen zwei extremen Polen ganz bewusst auf einen in dem Moment und Konstellation optimalen Punkt zu schieben. Die dann daraus folgende Entscheidung oder Handlungsweise basiert dann auf eine umfangreiche Betrachtung und ist nachvollziehbar.
Mehr zum Wertveränderungsmodell ist hier zu lesen: https://coaching-gebel.de/ja-nein-jein-das-wertveraenderungsmodell/
Aufstellungsarbeit
Hier ist das sogenannte Systembrett ein klassisches „Werkzeug“.
Grundsätzlich werden bei dieser Methode Gegenstände oder Figuren stellvertretend für den Coachee, Personen in dessen sozialen und beruflichen Umfeld oder seinen inneren Anteilen (siehe inneres Team) in einem definierten Raum zueinander in Beziehung gestellt.
Ziel ist es die Beziehungs- und Wirkungsgefüge zu visualisieren und die teils komplexen sowie teils unbewussten inneren Vorstellungen, Erwartungen und Bewertungen bewusst werden zu lassen.
Simulation von Alltagssituationen
Hier kann man sich z.B. ein „handlungsorientiertes Brainstorming“ vorstellen. Das heißt, dass eine herausfordernde, kritische oder problematisch erlebte Szene im Rahmen des Coachings wiederholt gespielt wird. Und wie im Brainstorming bekannt, dürfen nun viele Ideen und Möglichkeiten einfach mal gesammelt und ausprobiert werden. Der Coachee kann dann nach jeder Szene selbst reflektieren, wie er die simulierte Situation (kognitiv, emotional, körperlich) empfunden hat.
Achtsamkeit
Viktor Frankl: „Zwischen Reiz und Reaktion, zwischen Impuls und Handlung, ist ein Raum. In diesem Raum ist Freiheit.“
Eine Schlüsselkompetenz für nachhaltige Veränderungen ist die Fähigkeit, sich seiner Gedanken, Gefühle und Handlungen bewusst zu sein und die eigenen Handlungsimpulse und Reaktionsmuster zu beobachten und zu reflektieren. Daraus lassen sich dann Schlüsse ziehen, um letztlich mehr Wahlmöglichkeiten im Denken, Fühlen und Handeln zu haben.
Daher können im Coaching für diese Bewusstheitsbildung auch Achtsamkeitsübungen zum Einsatz kommen.
Coaching-Fragetechniken
Es werden überwiegend offene Fragen eingesetzt. Zunächst könnte man folgende drei Kategorien:
1. Fragen zur Auftragsklärung
2. Fragen zur Erfassung der Wirklichkeitskonstruktion
3. Fragen zur Erfassung der Möglichkeitskonstruktion
Fragen zur Auftragsklärung
Zu Beginn eines Coachings ist eine konkrete Auftrags- und Zielklärung notwendig. Das Anliegen des Klienten muss verstanden sein; aber auch die Rollen (Coach / Coachee) sowie die Erwartungen.
Fragen zur Wirklichkeitskonstruktion
„Wirklichkeit“ ist ein subjektiv konstruiertes Phänomen – siehe hierzu auch den Blogbeitrag „Wahrheitsfilter“. Und die Kenntnis anderer Wirklichkeiten anderer Mitmenschen – Kollegen, Chef, Familienmitglieder, etc. – schwächt die Absolutheit der eigenen subjektiven Wirklichkeit. Im Coaching wird diese Wirklichkeit – auch durch Perspektivwechsel – hinterfragt.
Fragen zur Möglichkeitskonstruktion
Wer sich selbst seine Wirklichkeit konstruieren kann, kann auch seine Möglichkeiten konstruieren. Im Coaching können hier lösungsorientierte Fragen oder Hypothesen zum Einsatz kommen. Auch problemorientierte Verschlimmerungsfragen sind denkbar (in der Annahme, dass wenn jemand was verschlimmern, er/sie es auch verbessern kann).
Frage-Beispiele
Zirkuläre Fragen
Bei zirkulären Fragen wechseln wir die Perspektive. Wir blicken also über jemand anderen auf den Gesprächspartner und lassen diesen damit eine andere Position einnehmen und sich von außen zu betrachten.
Beispiele für zirkuläre Fragen sind:
- Wie würde Ihre Tochter diese Frage beantworten?
- Was denken Sie, wie beschreibt Ihr Chef die Situation zwischen Ihnen und Ihrer Kollegin?
- Was würde Ihr Kollege / Ihre Frau / Ihr Chef über Ihre Stärken sagen?
Im Coaching-Prozess werden sehr gerne zirkuläre Fragen eingesetzt. Damit einher geht manchmal das bewusste Einrollen in den Sprecher, d.h. der Klient nimmt dann den bereitgestellten Stuhl für z.B. den imaginären Kollegen ein, sieht auf den leeren Stuhl, auf dem er gerade saß und sieht so von außen auf sich. Der Perspektivwechsel kann helfen, Abstand zu gewinnen, die Situation mit anderen Augen zu sehen und damit gesamtheitlichen Blick auf die Situation zu erlangen.
Skalierungsfragen (Vergleichsfragen)
Durch Skalierungsfragen kann qualitativ eingeordnet werden,
– wo man steht,
– wie weit man von einem Ziel oder einem guten Zustand entfernt ist,
– aber auch wie weit man schon gekommen ist.
Eine Skalierungsfrage könnte dann lauten: Stellen Sie sich bitte eine Skala von 1 bis 10 vor, auf der 10 für Ihr Ziel steht.
- Wo stehen Sie im Moment?“ Oder:
- Wo möchte Sie gerne stehen? Was wäre gut genug?“
Dabei geht es generell darum, die Positionen auf der Skala möglichst konkret beschreiben zu lassen. Hier könnten sich Folgefragen anschließen:
- Was haben Sie unternommen um auf die 5 (die jetzige Position) zu kommen?
- Was genau ist an der 5 besser, als wenn Sie auf der 4 stehen würden?
- Wenn Sie an schlechten Tagen auf der 4 stehen, was müssten Sie tun um das alte Niveau (5) wieder zu erreichen?
- Nehmen wir an, Sie täten mehr von dem, was Sie auf die 5 gebracht hat – wohin würde Sie das auf der Skala bringen?
- …
Eine Skalierung
– erlaubt die nächsten Schritte in Richtung Ziel zu präzisieren,
– lenkt die Aufmerksamkeit auf die eigenen Ressourcen und
– gibt Informationen über die Selbstbeschreibung und Bewertung der Handlungsmöglichkeiten.
Lösungsorientierte Fragen
Ziel dieser Frageform ist es sich nicht mit dem Problem an sich, sondern mit der Lösung des Problems zu beschäftigen. Beispiele sind:
- Wie kommen wir jetzt zu einer Lösung?
- Was ist unser Ziel?
- Was brauchen wir um das Ziel zu erreichen?
Paradoxe Fragen
Paradoxe Fragen können mit gewissem Überraschungseffekt unterstützen neue Sichtweisen zu finden. Zum Beispiel können Sie den eigentlichen Sachinhalt umdrehen und nach dem Gegenteil fragen:
- Wie könnten Sie das Projekt komplett zum Scheitern bringen?
- Was wäre wenn Sie nur Nachtschichten hätten?
- Wann sind wir fertig?
Kleiner Schritt, große Wirkung
Ein kleiner Schritt kann zu einer großen Veränderung führen.
Oft wird unterschätzt welches Potenzial kleine Veränderungsschritte entfalten können. Dabei sind kleine Schritte nicht zwangsläufig schlechter als große. Doch sind kleine Schritte oftmals machbarer, alltagsnäher und daher meist erfolgsversprechender.
Ähnlich wie bei einer Aufstellung mit Dominosteinen kann also ein erster Schubser eine große Veränderung nach sich ziehen. Das heißt weitere Veränderungsschritte in die gewünschte Richtung ergeben sich manchmal ganz automatisch oder zumindest deutlich leichter.