Kontexte und Systeme

Kontexte und Systeme

Mensch und Umwelt

Wie ein Zahnrad bei Problemen oder Veränderungen besser im Kontext des gesamten Getriebes zu betrachten ist, ist auch der Mensch im Kontext seines Systems (in der das Problem oder die Veränderung relevant ist) zu betrachten.

Auf jeden Fall geht ein systemisches Mindset davon aus, dass jedes Verhalten kontextabhängig ist. Das bedeutet auch, dass Probleme oder das Verhalten (ob erwünscht oder unerwünscht) mit dem jeweiligen Kontext zu tun haben und nicht primär mit den individuellen Eigenschaften des Menschen.

Kontextualisierung: Alles ist kontextabhängig

Beschreiben anstatt zuzuschreiben

Basierend auf dem systemischen Ansatz wird vielmehr das Verhalten von Menschen beschrieben, anstatt ihnen Eigenschaften zuzuschreiben. Es wird also das beobachtete Verhalten im jeweiligen Kontext beschrieben:

  • Die Person zeigt sich …
  • Die Person verhält sich …
  • Und nicht: Die Person ist

Der Mensch und sein Verhalten sind veränderlich

Eine feste Zuschreibung („… die Person ist …) würde eine Unveränderlichkeit suggerieren, die aber so nicht vorliegt! Im Gegensatz dazu ist ein Verhalten etwas das
a) veränderlich ist und
b) im jeweiligen Kontext für die Person durchaus Sinn macht oder machen kann.

Person A ist aggressiv

Würden wir einer Person vereinfacht zuschreiben „Person A ist aggressiv“ müsste man die eigene Bewertung mit Blick auf folgende vier Kontexte eventuell relativieren – Was meinen Sie?

  • Person A zeigt beim Eishockey-Spiel als Verteidiger aggressives Verhalten: Wird eventuell als positiv bewertet.
  • Person A zeigt bei Vertragsverhandlungen aggressives Verhalten: Wird je nachdem eventuell als neutral bewertet, ggf. hier und da auch zu einem gewissen Maß vorausgesetzt.
  • Person A zeigt im Team-Meeting aggressives Verhalten: Wird als kritisch bewertet, da ein Miteinander und Kommunikation im Team erschwert wird.
  • Person A zeigt in der Familie aggressives Verhalten: Wird als absolut negativ bewertet.

Der Kontext bestimmt die Bewertung des Verhaltens

Eine zugeschriebene Eigenschaft kann also je nach Kontext bzw. je nach System positiv oder negativ belegt werden.

Die Kontextualisierung ist Teil des systemischen Ansatzes: Für ein lösungsorientiertes Vorgehen wird ganzheitlich die Geschichte der Person (des Themas) sowie Beziehungsstrukturen und Bedingungen betrachtet.

Im systemischen Coaching erfährt der Klient also eine starke Wertschätzung, da dieser nicht isoliert, sondern als Person mit allen dazugehörigen Eigenschaften, Gegebenheiten und sozialen Kontakten gesehen wird.

Probleme der Person können dabei eben durchaus positiv belegt werden (ist vielleicht auch Sache des „Reframings“), denn diese stellen auch immer Lösungsversuche bzw. in sich stimmige Schlussfolgerungen dar, die zum jeweiligen Kontext passen hätten können.

Und wie sieht es mit dem Ursache-Wirkungs-Prinzip aus?

Das klassische Ursache-Wirkung-Denken gibt es mit dem systemischen Mindset nicht. Die systemische Perspektive interessiert sich nicht so sehr für das Problem, Ursache oder Schuld, sondern viel mehr für die Wechselwirkung zwischen den Menschen.

Die vereinfachte Denkweise „hier liegt die Ursache / Problem und deswegen haben wir dort die Wirkung / das Ergebnis und jetzt müssen wir noch genauer das Problem betrachten, es verstehen und dann (einfach) beheben“ gilt mit der systemischen Denkweise als zu kurz gesprungen. Der systemische Ansatz ist aber gegebenenfalls eine Provokation an all diejenigen die alles unter Kontrolle haben möchten und einfachste Lösungen suchen.

Als Teil des Systems bestimmen wir auch das System

Als Teil des Systems sind wir dem sozialen System nicht hilflos ausgeliefert, sondern nehmen Einfluss und bestimmen es stets mit. Jeder Mensch in seinem System muss das System als nichts Gegebenes betrachten und sich damit abfinden, sondern kann es durch sein eigenes Verhalten verändern.

Eines ist klar: Wir können viel besser uns selbst als andere verändert. Und wir können das System durch eigene Veränderung zum Positiven verändern. Im systemischen Coaching werden Sie dabei unterstützt.

Aber es gibt doch Persönlichkeitsmodelle, die den Menschen gut beschreiben?

Fingerabdruck

Die Persönlichkeit eines Menschen ist einzigartig – wie eine Art Fingerabdruck.

Aufgrund dieser Einzigartigkeit und Komplexität der Persönlichkeit haben eine Reihe von Forscher/-innen versucht, dieses Phänomen zu beschreiben und zu erklären und haben im Laufe der Zeit eine Reihe verschiedener Theorien aufgestellt und Modelle entwickelt.

Laut Definition sind Persönlichkeitsmodelle: Theorien und Modellannahmen zum Verständnis der menschlichen Persönlichkeit, denen unterschiedliche wissenschaftstheoretische Positionen und Menschenbildannahmen zugrunde liegen.

Es gibt eine Vielzahl von Persönlichkeitsmodellen, auf die ich im Rahmen dieses Blogs nicht eingehen werden. Eine gute Übersicht gibt das Buch ‚PersönlichkeitsModelle‘ von Schimmel-Schloo / Seifert / Wagner.

Vielmehr interessieren mich die Wirkmechanismen, die sich auf Basis verschiedener Persönlichkeiten beobachten lassen könnten:

  1. Reaktive Interaktion: Personen nehmen Situationen unterschiedlich wahr, was dann zu unterschiedlichen Reaktionen führt.
  2. Evokative Interaktion: Personen lösen bei Mitmenschen durch ihr Verhalten eine Reaktion aus, die wiederum ihr Verhalten beeinflusst.
  3. Proaktive Interaktion: Personen suchen aufgrund ihrer Persönlichkeit bestimmte Situationen gezielt auf.
  4. Manipulative Interaktion: Personen gestalten ihre Umwelt wegen ihrer Persönlichkeit auf eine bestimmte Art und Weise.

Wertschätzung durch ganzheitlichen Ansatz im systemischen Ansatz

Aber auch die Persönlichkeit mag sich das ganze Leben lang weiterentwickeln und sich mit der Zeit verändern.

Und jede Persönlichkeit kommt mit ihrer eigenen Geschichte, mit ihren individuellen Erfahrungen, Einstellungen und Erwartungen an das Leben.

Die Arbeit im systemischen Ansatz fokussiert primär auf das “Hier und Jetzt”, auf die Entfaltung von bisher ungenutzten Potentialen und die Entwicklung einer positiven, sinnstiftenden Zukunft. Sie drückt eine starke Wertschätzung für den Klienten aus und begreift diesen nicht isoliert, sondern als System mit allen dazu gehörigen Eigenschaften, Gegebenheiten und sozialen Kontakten.

Zur Zielerreichung: Stabile und erfolgreiche Muster entwickeln

Im Coaching gibt es immer das Coachingziel des Klienten. Dieses Ziel ist präsent und daraufhin wird gearbeitet.

Es gilt nun also stabile und erfolgreiche Muster zu erarbeiten und zu festigen!

Weniger erfolgreiche Muster im jeweiligen Kontext werden offengelegt: Negative Beziehungsmuster, festgefahrene Teufelskreise (Lösungsversuche mit Nebenwirkungen oder einem hohen Preis), hinderliche Gefühle (Ohnmacht, Angst, Wut, Verzweiflung, …) oder einschränkende Denkmuster (Selbstabwertungen, Problem-Kopfkino, …).

Im Coaching werden dann gemeinsam mit dem Klienten passende Alternativen erarbeitet. Für die Beratung bzw. dem systemischen Coaching bedeutet das, dass der Coach zwar wichtige Impulse setzt, aber nie „das Problem wegcoachen“ kann und wird. Im Coaching eingesetzte Interventionen sind dabei mehr oder weniger Einladungen an den Coachee, der wiederum entscheidet, ob er diese annimmt oder nicht.

Zusammenfassung

Charakteristisch für den systemischen Ansatz ist die ganzheitliche Betrachtung von Personen im jeweiligen Kontext / System mit den (klaren wie auch unklaren) Zielen, aktuellen Problemen, individuellen Ressourcen und dessen Entfaltung und der Entwicklung einer positiven, sinnstiftenden Zukunft auf Basis einer lösungsorientierten Grundhaltung.

Aus einer systemischen Grundhaltung heraus gehen wir davon aus, dass Menschen Probleme durch die Aktivierung vorhandener (unbewusster oder verschütteter) Ressourcen und Impulse bzw. Veränderungen im System eigenständig lösen können.