Gestalte Dein Leben

Manche Menschen planen ihr Leben bis ins Detail. Andere warten auf den richtigen Moment und surfen auf den Wellen des Zufalls. Und wieder andere dümpeln durchs Leben, ohne klare Richtung, aber auch ohne wirklichen Widerstand. Alle drei Haltungen haben ihre Berechtigung – und sie wechseln sich im Leben oft ab.
Doch was wäre, wenn man regelmäßig innehält, um bewusst zu prüfen, wo man gerade steht, was einem wichtig ist und wie man sein Leben gestalten möchte?
Dieser Beitrag lädt dazu ein, genau das zu tun: Innehalten, reflektieren und gestalten. Ich stelle drei Methoden vor, die auf unterschiedliche Weise Orientierung geben können. Sie können helfen, den Blick zu weiten, Zusammenhänge zu erkennen und neue Klarheit zu gewinnen. Egal ob man sich mit seinen wichtigen Lebensbereichen auseinandersetzen will, ein neues Selbstbild entwerfen möchte oder seinen inneren Antrieb sucht – hier findet man strukturierte Ansätze, um Antworten zu entwickeln. Es geht nicht um Selbstoptimierung, sondern um eine stimmige Lebensgestaltung. Um Balance. Und um Sinn.
Der Beitrag gliedert sich dabei wie folgt auf:
- New Life Design
- Wheel of Life
- IKIGAI
- Zusammenfassung
- Abschluss mit Video
Ich wünsche gute Inspiration!
New Life Design
Die Idee: Das eigene Leben bewusst gestalten
Das Konzept des „New Life Design“ lädt dazu ein, das eigene Leben bewusst zu gestalten, statt es nur geschehen zu lassen. Es verbindet biografisches Reflektieren mit zukunftsgerichtetem Entwerfen. Die zentrale Frage lautet: „Was mache ich aus meinem Leben – und wie möchte ich meine Zukunft gestalten?“ Dabei geht es nicht um Selbstoptimierung, sondern um das bewusste Erkennen von Erfolgen, Mustern, Hindernissen und Potenzialen. Indem man auf dein bisheriges Leben zurückblickt, gewinnt man Klarheit darüber, was einen geprägt hat – und was man künftig anders, bewusster oder gezielter leben möchte. „New Life Design“ ist keine einmalige Übung, sondern kann sich zu einer Haltung entwickeln: Du übernimmst Verantwortung für dein Leben – und beginnst, es neu zu denken.
Biographisches Interview: Rückblick, Muster, Ausblick
Im Zentrum des „New Life Design“ steht ein geführtes, biografisches Interview, das Klarheit über die Lebensgeschichte des Coachees, seine innere Landkarte und seine Wünsche für die Zukunft schaffen soll. Ausgangspunkt sind 5 bis maximal 7 Lebensbereiche, die der Coachee selbst auswählt. Das könnten z.B. sein: Gesundheit, Familie, Beruf, Beziehung, Finanzen oder Hobbies. Zu jedem dieser Bereiche stellt der Coach strukturierte Fragen. Dabei wird in der Gegenwart begonnen und man geht anschließend gemeinsam zurück in die Vergangenheit.
Die Antworten hält der Coach schriftlich oder sogar etwas graphisch fest – siehe hierzu nebenstehendes beispielhaftes Bild.
Beispielfragen für den Einstieg:
- Wo stehst Du heute in diesem Lebensbereich?
- Wie geht es Dir damit?
- Welche Bedeutung hat dieser Bereich für dich?
Im Rückblick werden dann drei Perspektiven betrachtet:
- Was hast du erlebt?
- Welche äußeren Umstände haben dich geprägt?
- Welche Personen hatten Einfluss auf dich?
- Welche Überzeugungen sind daraus entstanden – und welche davon gelten heute noch?
- Was hast du erreicht?
- Was hat dich damals stark gemacht?
- Welche Fähigkeiten, Menschen oder Gelegenheiten haben dich unterstützt?
- Was hast du daraus gelernt – und was möchtest du noch lernen?
- Was hast du (noch) nicht erreicht?
- Was ist nicht gelungen?
- Welche Muster oder hinderlichen Glaubenssätze standen im Weg?
- Wie bist du mit Misserfolgen umgegangen – und was nimmst du daraus mit?

Nachdem alle Lebensbereiche auf diese Weise reflektiert wurden, treten häufig übergreifende Zusammenhänge und wiederkehrende Muster zutage. So kann sich zum Beispiel zeigen, dass bestimmte einschränkende Glaubenssätze – etwa „Ich muss alles allein schaffen“ – in mehreren Lebensbereichen wirksam sind. Ebenso lassen sich Ressourcen identifizieren, die in verschiedenen Kontexten Stabilität oder Entwicklung gefördert haben, etwa ein ausgeprägtes Durchhaltevermögen oder kreative Lösungsansätze. Auch vergleichbare Reaktionsmuster – wie Rückzug in belastenden Situationen – können sich als wiederkehrendes Thema herauskristallisieren.
Auf diese Weise entsteht eine individuelle „Chronologie des Erfolgs“ mit persönlichen Höhen, Tiefen, Umwegen und Wendepunkten. Diese biografische Landkarte bildet die Grundlage für den nächsten Schritt: Den Zukunftsentwurf.
Ein jährliches Ritual für mehr Wirksamkeit
Der Ansatz des „New Life Design“ entfaltet seine volle Wirkung, wenn er nicht nur punktuell, sondern regelmäßig angewendet wird – idealerweise im Rahmen eines jährlichen Reflexionsrituals. Eine solche Wiederholung ermöglicht es, Veränderungen im Lebensverlauf bewusst wahrzunehmen, Entwicklungen einzuordnen und neue Zielsetzungen abzuleiten. Im Abgleich mit der vorherigen Betrachtung werden Fortschritte sichtbar, Prioritäten können sich verschieben, und wiederkehrende Themen erhalten mehr Klarheit. Die jährliche Reflexion stärkt nicht nur das Gefühl von Selbstverantwortung, sondern fördert auch Kontinuität und Eigensteuerung im persönlichen Lebensentwurf. Sie schafft einen festen Rahmen, um innezuhalten, Bilanz zu ziehen und die nächsten Schritte mit größerer Klarheit und Zielorientierung anzugehen.
Wheel of Life
Ursprung und Anwendungsmöglichkeiten
Das „Wheel of Life“ – im Deutschen oft als „Lebensrad“ bezeichnet – ist ein bekanntes Instrument zur Standortbestimmung in der Persönlichkeitsentwicklung. Der Begriff erinnert nicht zufällig an das Bhava-cakra aus der buddhistischen Tradition, das den ewigen Kreislauf des Lebens symbolisiert. Auch im Coaching geht es hier um ein ganzheitliches Erfassen des aktuellen Lebenszustands – jedoch mit einem klar lösungsorientierten Ziel für mehr Balance und bewusste Gestaltung eigener wichtiger Lebensbereiche. Als analytisches Tool hilft das Wheel of Life dabei, zentrale Lebensbereiche sichtbar zu machen und deren Ist-Zustand einzuschätzen.
Es findet Anwendung in beruflichen Umbruchsituationen, Lebenskrisen, Erschöpfungsphasen, aber auch in gesundheitsbezogenen Prozessen oder bei Wunsch nach persönlicher Neuorientierung. Durch die visuelle und körperlich erlebbare Struktur wird schnell deutlich, welche Lebensbereiche aktuell zu kurz kommen – und wo Veränderung sinnvoll sein könnte.
Ablauf und Methodik
Zu Beginn wählt der Coachee fünf bis sieben für ihn persönlich relevante Lebensbereiche aus – das können die gleichen Bereiche sein, wie im vorherigen Kapitel skizziert, also z. B. Gesundheit, Partnerschaft, Beruf, Finanzen, Freizeit oder Familie. Für jeden dieser Bereiche wird ein Bodenanker beschriftet und in einem Kreis auf dem Boden ausgelegt. Die einzelnen Bodenanker markieren dabei jeweils den Wert von 100 %, also einen ideal erfüllten Zustand. In die Mitte des Kreises wird ein weiterer Anker mit der Zahl „0“ gelegt – als neutraler Ausgangspunkt.
Im nächsten Schritt bewegt sich der Coachee nacheinander in die einzelnen Segmente dieses Kreises. Zwischen dem jeweiligen Lebensbereich und der Mitte bleibt er stehen – mit Blickrichtung entweder zur Mitte (0 %) oder nach außen (100 %). Die Blickrichtung wird intuitiv vom Coachee gewählt. In dieser Position beginnt die eigentliche Selbsteinschätzung.

Der Coach lädt nun ein, sich in den jeweiligen Bereich hineinzufühlen. Es geht nicht darum, eine kognitive Bewertung abzugeben, sondern über sinnliche Zugänge (Submodalitäten wie Bilder, Körperempfindungen, Klänge) ein inneres Erleben zu ermöglichen. Fragen wie „Wo stehe ich gerade in diesem Bereich?“ oder „Wie fühlt sich das an?“ regen zur Selbstwahrnehmung an.
Sobald eine innere Einschätzung spürbar wird, blickt der Coachee auf die imaginäre Skala und bestätigt einen Prozentwert zwischen 0 und 100, der seinen aktuellen Zustand in diesem Lebensbereich widerspiegelt. Dieser Wert wird auf einem kleinen Zettel notiert und auf dem Boden zwischen Zentrum und äußerem Anker abgelegt – entsprechend der gefühlten Position.
Dieser Ablauf wird für jeden der ausgewählten Lebensbereiche wiederholt. Der Coach begleitet den Prozess mit Zurückhaltung, beobachtet, spiegelt ggf. nonverbale Signale und sorgt für einen geschützten Raum, in dem sich der Coachee frei einlassen kann.
Sind alle Lebensbereiche durchlaufen, folgt eine Betrachtung aus der sogenannten Meta-Position: Welche Bereiche wirken stabil, welche sind unterversorgt? Gibt es auffällige Asymmetrien? An dieser Stelle lassen sich erste Hypothesen zu Mustern oder Wechselwirkungen ableiten. Gemeinsam kann nun ein Maßnahmenplan entstehen: Welche konkreten Schritte könnten zu mehr Balance führen? Gibt es Themen, die im Coaching vertieft bearbeitet werden sollten?
Zum Abschluss wird das Gesamtbild dokumentiert. Der Coachee zeichnet die Lebensbereiche als Kreissegmente auf und markiert darin seine individuellen Prozentwerte. Diese Punkte werden visuell miteinander verbunden – es entsteht ein „Spinnennetz-Diagramm“, das das Ungleichgewicht oder die Balance auf einen Blick sichtbar macht. Dieses Bild dient als wertvoller Anker für die weitere Arbeit.
Körper statt Kopf
Das „Wheel of Life“ ist weit mehr als ein analytisches Arbeitsblatt – es ist ein körperlich erfahrbares Reflexionstool. In der praktischen Umsetzung geht es nicht um rationale Bewertungen, sondern darum, den Zugang zum inneren Erleben zu aktivieren. Der Coachee wird eingeladen, sich ganz bewusst in jeden Lebensbereich „hineinzuspüren“ – mit allen Sinnen und ohne vorschnelle Bewertung. Die Körperwahrnehmung steht im Vordergrund: Bauchgefühl, innere Bilder, spontane Spannungen oder Leichtigkeiten geben Hinweise, wie es wirklich um den jeweiligen Bereich steht. Diese Art der Selbstwahrnehmung erfordert Ruhe, Präsenz und einen geschützten Raum – sie führt jedoch oft zu tieferen Einsichten als rein kognitive Analysen. Das Wheel of Life eröffnet so nicht nur ein Bild vom aktuellen Zustand, sondern auch einen Zugang zur Intuition und zur inneren Stimme, die im Alltag oft überhört wird.
Ikigai
Sinn finden und gestalten
Das Wort „Ikigai“ stammt aus dem Japanischen und setzt sich aus „iki“ (Leben) und „gai“ (Wert, Nutzen) zusammen. Es beschreibt das, was das Leben lebenswert macht – den tieferen Sinn, der Menschen motiviert, morgens aufzustehen. Der Begriff kann bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgt werden und wurde maßgeblich von der japanischen Psychiaterin Mieko Kamiya (1914 – 1979) geprägt. Ihr zufolge ist Ikigai individuell verschieden und lässt sich nicht standardisieren.
In Japan beschreibt Ikigai meist eine Haltung, kleine Dinge im Alltag wertzuschätzen, während in der westlichen Welt ein strukturierteres Modell mit vier zentralen Bereichen verbreitet ist:
- Was man liebt,
- was man gut kann,
- wofür man bezahlt wird und
- was die Welt braucht.
Diese Methode findet Anwendung in der Lebensberatung, bei beruflicher (Neu-)Orientierung, in Coachingprozessen und zunehmend auch im Unternehmenskontext zur Teamentwicklung oder Führungskräfteentwicklung.
Die vier Grundbereiche - Annäherung an den Lebenssinn
Die westliche Ikigai-Methode basiert auf vier zentralen Bereichen, die miteinander in Beziehung stehen:
Was man liebt | LOVE:
- Wobei vergeht die Zeit wie im Flug?
- Wofür brennt man schon seit der Kindheit?
- Was tut man ohne dafür Anerkennung zu erwarten?
Was man gut kann | GOOD AT:
- Welche Tätigkeiten fallen leicht und gelingen zuverlässig?
- In welchen Bereichen gibt es positive Rückmeldungen?
- Welche Kompetenzen und Stärken wurden durch Erfahrung oder Ausbildung entwickelt?
Wofür man bezahlt werden kann | PAID FOR:
- Welche Fähigkeiten oder Tätigkeiten werden am Arbeitsmarkt gefragt?
- Wofür wird der Coachee aktuell bezahlt oder wurde früher eingesetzt?
- Wo kann ein Mehrwert für Organisationen oder Kunden geschaffen werden?
Was die Welt braucht | NEEDS:
- Welche gesellschaftlichen, sozialen oder ökologischen Themen sprechen mich besonders an?
- In welchen Bereichen möchte man einen Beitrag leisten?
- Wo liegt der Wunsch, etwas zu bewirken oder zu verändern?

Im Coachingprozess werden zu jedem dieser Bereiche gezielte Reflexionsfragen gestellt. Die Antworten werden dokumentiert – z. B. in Form von vier Listen – und dienen als Grundlage für den nächsten Schritt: die Arbeit mit den Schnittmengen.
Die Schnittmengen - Klarheit durch Kombination
Die vier Grundbereiche überlappen sich und eröffnen so neue Einsichten:
- Passion, also Leidenschaft entsteht dort, wo sich Liebe und Begabung überschneiden.
- Vocation (Berufung) zeigt sich an der Schnittstelle von dem, was die Welt braucht, und wofür man bezahlt wird.
- Mission liegt zwischen dem, was geliebt wird, und dem, was gebraucht wird.
- Profession ergibt sich aus dem, worin man gut ist, und wofür man bezahlt wird.
Im Coachingprozess wird nun analysiert, welche Schnittmengen bereits stark ausgeprägt sind – und welche Bereiche vernachlässigt werden. Dabei entstehen zentrale Fragen:
- Was passiert, wenn eine Dimension kaum vorkommt?
- Wie fühlt sich der Coachee in diesem Ungleichgewicht?
- Was könnte getan werden, um eine stärkere Balance herzustellen?
Dieser Abgleich fördert ein tiefes Verständnis über die persönlichen Motivationsquellen und kann dazu beitragen, konkrete Entwicklungsschritte abzuleiten. Die Methode unterstützt nicht nur die kognitive Reflexion, sondern auch die emotionale Klarheit – oft verbunden mit Aha-Erlebnissen oder neuen Zielbildern. Gerade durch die Kombination aller vier Bereiche entsteht ein individuelles Ikigai – ein innerer Kompass, der langfristig Orientierung geben kann.
Zusammenfassung
Wer sein Leben bewusst gestalten möchte, sollte regelmäßig innehalten und den Blick auf das große Ganze richten. Gerade in Phasen der beruflichen Neuorientierung, nach längeren Auszeiten oder bei Unsicherheiten im persönlichen Umfeld konzentriert man sich schnell auf einzelne Lebensbereiche – häufig nur auf den Job. Doch echte Zufriedenheit entsteht durch das Zusammenspiel aller relevanten Lebensbereiche.
Das „New Life Design“ lädt dazu ein, die eigene Biografie strukturiert zu reflektieren: Wo stehe ich heute? Was hat mich geprägt? Welche Muster beeinflussen mein Verhalten? Diese Standortbestimmung schafft Klarheit und legt die Basis für persönliche Entwicklung.
Das „Wheel of Life“ ergänzt diesen Prozess um eine intuitive, körperlich erfahrbare Methode. Die Betrachtung der Lebensbereiche wird dabei nicht nur kognitiv, sondern auch emotional erlebbar. Ungleichgewichte und Entwicklungsfelder lassen sich so schnell erkennen.
Das Ikigai-Modell erweitert die Perspektive zusätzlich um die Frage nach dem tieferen Sinn: Es geht darum, die eigenen Stärken, Leidenschaften und den gesellschaftlichen Beitrag in Einklang zu bringen.
Alle drei Ansätze helfen dabei, Orientierung zu finden, Prioritäten zu setzen und einen individuell stimmigen Weg zu gestalten – für mehr Balance, Sinn und Lebenszufriedenheit.