Die Kunst des Emotionsmanagements
Emotionen sind allgegenwärtig und prägen jede Facette unseres Lebens – von den kleinen Momenten des Alltags bis hin zu den großen Entscheidungen. Trotz ihrer zentralen Rolle im menschlichen Dasein sind Emotionen oft schwer greifbar. Sie treten plötzlich auf, überfluten uns manchmal mit Intensität und bestimmen unsere Gedanken, Worte und Handlungen.
Gleichzeitig werden sie in beruflichen Kontexten häufig als störend wahrgenommen: „Emotionen haben hier keinen Platz – wir arbeiten mit Fakten!“ Doch ist das realistisch?
Gerade für Führungskräfte ist der bewusste Umgang mit Emotionen unverzichtbar. Emotionen beeinflussen, wie Mitarbeiter motiviert, wie Konflikte gelöst und wie Beziehungen gestaltet werden. Emotionen wirken ansteckend. Eine empathische und positiv gestimmte Führungskraft kann die Stimmung des Teams nachhaltig verbessern. Wer Emotionen versteht und gezielt managen kann, hat nicht nur die eigene Gefühlswelt im Griff, sondern kann auch andere positiv beeinflussen.
Dieser Blogbeitrag zeigt auf, wie Emotionen entstehen, wie sie konstruktiv genutzt werden können und welche praktischen Werkzeuge im Coaching helfen, die Kunst des Emotionsmanagements zu praktizieren.
Ich habe diesen Blogbeitrag für alle geschrieben, die sich für das Thema Emotionen interessieren – unabhängig davon, ob sie aus beruflichem oder privatem Anlass lesen, ob sie Mitarbeiter oder Führungskraft sind. Meine ursprüngliche Motivation entspringt meiner Arbeit im Führungskräfte-Coaching, wo die bewusste Auseinandersetzung mit Emotionen immer wieder als Schlüssel für Erfolg und zwischenmenschliche Entwicklung sichtbar wird. Ich hoffe, dass die Impulse und Werkzeuge, die ich hier teile, Ihnen wertvolle Einblicke und Anregungen bieten, um Emotionen bewusster wahrzunehmen und konstruktiv einzusetzen.
Der Blogbeitrag gliedert sich wie folgt auf:
- Emotionen und die Vorgänge im Gehirn
- Unterschied Emotion und Gefühl
- Attribution und die Interpretation von Ursachen
- Von den Basisemotionen zu sozial geprägten Gefühlen
- Gefühlsarten
- Reiz und Reaktion und der Raum dazwischen
- Körper und Emotion
- Arbeitsansätze im Coaching
- Zusammenfassung und Abschluss mit Video
Ich wünsche gute Inspiration!
Emotionen und die Vorgänge im Gehirn
Emotionen wahrnehmen: Ein achtsamer Einstieg
Lehnen Sie sich zurück!
Entspannen Sie sich und achten nur darauf, was Sie gerade wahrnehmen!
Ihren Atem. Vielleicht Ihren Magen, ihren Bauch, weil Sie gerade vom Mittagstisch kommen. Das vorbeifahrende Auto draußen. Wieder Ihren Atem …
- Was empfinden Sie gerade?
- Ist es angenehm oder ist es eher unangenehm?
- Fühlen Sie sich ruhig oder angespannt?
- Tragen Sie eher Energie in sich oder fühlen Sie sich eher schlapp und energiearm?
Sie spüren ein Spektrum an Emotionen, von unangenehm bis angenehm und von ruhig (Energie niedrig) bis angespannt (Energie hoch). Mit Blick auf das gezeigte Koordinatensystem, wo würden Sie sich gerade verorten?
Wie unser Gehirn Sinneseindrücke in Emotionen verwandelt
Unser Gehirn nimmt Informationen über die Sinne – Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken und Riechen – auf und gleicht sie mit vergangenen Erfahrungen ab, um Bedeutung zu schaffen. Diese Verarbeitung hängt stark von unseren individuellen Werten, Überzeugungen und Erlebnissen ab.
Entscheidend sind dabei nicht die Reize selbst, sondern die Bedeutung, die unser Gehirn ihnen – basierend auf vergangenen Erfahrungen – zuschreibt, wobei äußere Sinneseindrücke ebenso wie innere Signale interpretiert werden.
Emotionen entstehen dann, wenn das Gehirn Empfindungen interpretiert.
Ein inneres Signal, wie z.B. das Stechen im Magen kann je nach Erfahrung Hunger, Wut oder Traurigkeit bedeuten. Sie erleben eine Emotion, wenn Ihr Gehirn also vergangene Erfahrungen nutzt, um Ihren Empfindungen eine Bedeutung zu geben. Vielleicht waren Sie das letzte Mal, als sich Ihr Magen so angefühlt hat, wütend. Vielleicht beginnen Sie jetzt tiefer zu atmen. Ihr Gehirn könnte vermuten, dass das Gefühl wieder durch Wut verursacht wird, und dieselbe Reaktion wie beim letzten Mal auslösen.
Gleiches gilt nach außen: Wenn Sie Emotionen bei anderen Menschen sehen, geschieht das, weil Ihr Gehirn vergangene Erfahrungen nutzt, um deren Gesichtsausdrücke, Gesten, Haltungen und Körperbewegungen zu interpretieren. Manchmal bedeutet ein Gesichtsausdruck Wut, aber derselbe Ausdruck kann in einem anderen Kontext Konzentration bedeuten.
Unterschied Emotion und Gefühl
Was sind Emotionen?
Emotionen sind die schnellen, intensiven Reaktionen Ihres Körpers auf eine Situation. Sie sind ein „Alarmsignal“, das uns seit Jahrtausenden hilft, in unserer Umwelt zu überleben. Zum Beispiel kann die Emotion „Angst“ Sie vor Gefahr warnen, indem Ihr Herz schneller schlägt und Ihre Muskeln sich anspannen – so sind Sie bereit, schnell zu flüchten. Die Emotion „Freude“ zeigt Ihnen hingegen, dass etwas Positives geschieht, und motiviert Sie, dieses Erlebnis zu wiederholen.
Charakteristisch für Emotionen sind:
- Körperliche Reaktion: Emotionen spüren Sie im Körper – z. B. Herzklopfen bei Angst oder ein breites Lächeln bei Freude.
- Universell: Grundemotionen wie Angst, Freude, Wut oder Trauer zeigen sich bei allen Menschen ähnlich, unabhängig von Kultur oder Erfahrung.
- Kurz und intensiv: Emotionen sind wie ein Sturm – plötzlich da, stark, aber schnell wieder vorbei.
- Denkprozess: Emotionen sind das „Angebot“ Ihres Körpers, auf eine Situation zu reagieren.
Was sind Gefühle?
Gefühle entstehen erst im nächsten Schritt. Sie sind die bewusste Wahrnehmung und Interpretation der Emotionen.
Charakteristisch für Gefühle sind:
- Individuell: Während Emotionen bei allen Menschen gleich sind, sind Gefühle individuell und geprägt durch Ihre Gedanken, Erinnerungen und Erfahrungen. Dasselbe Ereignis kann bei verschiedenen Menschen unterschiedliche Gefühle auslösen, je nach Erfahrung.
- Bedeutung: Gefühle beschreiben, wie Sie eine Emotion interpretieren.
Ein Beispiel zur Illustration
Stellen Sie sich vor, Sie laufen durch einen dunklen Wald und hören plötzlich ein knackendes Geräusch.
Die Emotion „Angst“ setzt sofort ein: Ihr Puls steigt, Ihre Muskeln spannen sich an, Ihr Körper ist in Alarmbereitschaft.
Das Gefühl entsteht, wenn Ihr Kopf die Situation bewertet. Denken Sie, es könnte ein gefährliches Tier sein, empfinden Sie Panik. Erinnern Sie sich daran, dass es nur der Wind sein könnte, fühlen Sie sich vielleicht beruhigt.
Gefühle sind der Teil des Eisbergs, der über der Wasseroberfläche liegt und bewusst wahrgenommen wird.
Emotionen liegen hingegen verborgen unter der Wasseroberfläche und wirken aus dem Unterbewusstsein heraus.
Auf den Punkt gebracht
Emotionen sind universell und unbewusst. Gefühle entstehen durch die bewusste Interpretation dieser Emotionen, geprägt von Erfahrungen und Gedanken.
Die bewusste Bewertung gibt Ihnen Kontrolle über Ihre Reaktion. Sie können Emotionen in positive Gefühle umwandeln und den Raum zwischen Reiz und Reaktion als Chance zur Selbstbestimmung nutzen. Aber dazu später mehr!
Attribution und die Interpretation von Ursachen
Was ist Attribution?
Attribution bedeutet, dass wir versuchen zu erklären, warum wir selbst oder andere sich auf eine bestimmte Weise verhalten. Wir suchen nach Gründen und Ursachen für das, was passiert ist – oft ganz automatisch.
Die Attributionstheorie beschreibt also wie Menschen kausale Erklärungen für ihr eigenes und fremdes Verhalten geben. Die Theorie wurde vom Sozialpsychologen Fritz Heider in seinem Buch 1958 eingeführt und von den Herren Kelley und Weiner weiterentwickelt.
Wenn wir zum Beispiel eine schlechte Leistung in einer Prüfung zeigen, überlegen wir uns, woran das gelegen hat: Vielleicht haben wir zu wenig gelernt, schlecht geschlafen oder waren nervös. Wenn wir dann den Grund finden, etwa „Ich war nicht fleißig genug“, dann haben wir unser Scheitern auf mangelnden Fleiß zurückgeführt – das ist eine Attribution.
Attributionstheorie
Unser Gehirn arbeitet also praktisch wie ein Detektiv: Es sucht Erklärungen (Attributionen) für das, was passiert, und bewertet sie in drei Dimensionen. Es wird versucht die Gründe oder Ursache zu eruieren!
- Lokation: Liegt die Ursache in mir selbst (intern) oder außerhalb von mir (extern)?
- Zeitstabilität: Ist die Ursache dauerhaft (stabil) oder vorübergehend (instabil)?
- Kontrollierbarkeit: Kann ich die Ursache beeinflussen (kontrollierbar) oder nicht (unkontrollierbar)?
Beispiele zu den Parametern der Attributionstheorie
Lokation:
- Intern: „Ich habe nicht genug gelernt.“
- Extern: „Der Lehrer hat unfair bewertet.“
Zeitstabilität:
- Stabil: „Ich bin generell schlecht in Mathe.“
- Instabil: „Ich hatte heute einfach einen schlechten Tag.“
Kontrollierbarkeit:
- Kontrollierbar: „Ich kann nächstes Mal mehr üben.“
- Unkontrollierbar: „Der Stromausfall hat die Prüfung beeinflusst.“
Einfluss auf unsere emotionale Reaktion
Nachfolgend skizziere ich nun drei mögliche Kombinationen aus der Attributionstheorie-Matrix und stelle mögliche emotionale Reaktionen vor.
Intern, instabil, kontrollierbar:
- „Ich war unkonzentriert, aber das kann ich ändern.“
- Emotionale Reaktion: Sie könnten Ärger über sich selbst verspüren, aber auch Hoffnung oder Motivation, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Extern, stabil, unkontrollierbar:
- „Die Prüfungen dieses Lehrers sind immer zu schwer.“
- Emotionale Reaktion: Sie fühlen wahrscheinlich Frust oder Resignation, da Sie die Situation als unfair und unveränderlich wahrnehmen.
Intern, stabil, unkontrollierbar:
- „Ich bin einfach untalentiert in Sport.“
- Emotionale Reaktion: Diese Bewertung könnte Gefühle von Traurigkeit oder Hilflosigkeit auslösen, da Sie glauben, dass sich daran nichts ändern lässt.
Bewertungen sind veränderbar, Emotionen steuerbar
Die Attributionstheorie zeigt, dass Emotionen nicht nur spontan entstehen, sondern dass Ihre Bewertung (Attribution) eine zentrale Rolle spielt. Das bedeutet auch: Ihre Bewertungen sind veränderbar. Wenn Sie z. B. statt „Ich bin schlecht“ denken „Ich kann mich besser vorbereiten“, können Sie Ihre Emotionen und Gefühle positiv beeinflussen.
Wie kann das unser Verhalten bzw. unsere Emotionen beeinflussen?
Die Art, wie wir Erfolg und Misserfolg bewerten, prägt nicht nur unsere Emotionen, sondern auch unsere Motivation und unser zukünftiges Handeln.
- Günstige Bewertungen, wie „Ich kann mich besser vorbereiten“ (intern, instabil, kontrollierbar), führen oft zu Motivation und Anstrengung, da wir glauben, die Situation verbessern zu können.
- Ungünstige Bewertungen, wie „Ich bin einfach nicht gut genug“ (intern, stabil, unkontrollierbar), können zu Resignation und geringer Motivation führen, weil wir keine Veränderungsmöglichkeit sehen.
Die Attributionstheorie macht deutlich: Unsere Interpretation der Ursachen bestimmt, wie wir uns fühlen und wie wir auf ähnliche Situationen in der Zukunft reagieren. Das bedeutet, dass wir nicht nur unsere Emotionen, sondern auch unsere Motivation aktiv beeinflussen können, indem wir bewusst unsere Bewertungen überdenken.
Von den Basisemotionen zu sozial geprägten Gefühlen
Ein Grundbaukasten
Paul Ekman identifizierte sieben Basisemotionen:
- Freude
- Trauer/Traurigkeit
- Überraschung
- Wut/Ärger
- Angst/Furcht
- Ekel
- Verachtung
Basisemotionen bilden den Grundbaukasten unseres emotionalen Erlebens. Sie sind universell, in allen Kulturen gleich. Diese Emotionen treten jedoch nicht isoliert auf. Oft mischen sie sich, um komplexere Gefühle zu erzeugen. Zum Beispiel könnte „Eifersucht“ eine Mischung aus Angst (vor Verlust), Wut (auf die Konkurrenz) und Traurigkeit (über die mögliche Zurückweisung) sein.
Flexibilität durch unterschiedliche Aktivitätsmuster
Emotionen können nicht so einfach auf eine starre Liste oder ein bestimmtes neuronales Muster reduziert werden. Dieselbe Emotion – wie Angst oder Freude – können durch sehr unterschiedliche Aktivitätsmuster im Gehirn erzeugt werden. Die Vielfalt und Flexibilität neuronaler Prozesse bedeutet, dass es kein einziges festgelegtes Muster für eine Emotion gibt. Beispielsweise können zwei Menschen Angst empfinden, obwohl die Aktivitätsmuster in ihren Gehirnen völlig unterschiedlich sind.
Bestimmte Emotionen werden also nicht ausschließlich in bestimmten Gehirnregionen verarbeitet. Stattdessen arbeitet das Gehirn immer als Ganzes, wobei verschiedene Bereiche je nach Situation unterschiedlich aktiv sind. Diese Vielgestaltigkeit und Anpassungsfähigkeit machen die emotionale Vielfalt des Menschen aus.
Und dann könnte man noch zwischen Primärgefühlen und durch Erziehung, Erfahrungen und gesellschaftliche Normen geprägten Sekundärgefühlen unterscheiden. Hierzu mehr im nachfolgenden Kapitel.
Gefühlsarten
In diesem Kapitel stelle ich das Primär- sowie das Sekundärgefühl vor. Primärgefühle sind angeboren und treten spontan auf, während Sekundärgefühle sozial geprägt sind. Aber sehen wir uns das etwas genauer an.
Primärgefühle – kongruent, authentisch, echt
Unser authentisches Ich!
Primärgefühle sind die spontanen, ersten Emotionen, die wir in einer Situation empfinden. Sie treten unmittelbar auf und spiegeln unseren authentischen, unverfälschten Zustand wider. Wenn wir ein Primärgefühl erleben, sind wir ganz im Einklang mit uns selbst und unseren Bedürfnissen – wir wirken kongruent und echt.
Wie erkennt man Primärgefühle bei anderen? Man erkennt Primärgefühle daran, dass sie unmittelbar und der Situation angemessen sind. Sie berühren uns tief. Menschen, die in einem Primärgefühl sind, wirken authentisch: Ihre Worte, Mimik und Körpersprache passen zusammen, sodass wir intuitiv spüren, dass sie ehrlich und wahrhaftig sind.
Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, jemand erzählt von einem traurigen Verlust. Die Person zeigt echte Traurigkeit, ihre Augen füllen sich mit Tränen, und sie spricht ruhig über ihre Gefühle. Diese Echtheit berührt uns und lässt uns mitfühlen. Das Primärgefühl ist in diesem Moment die Traurigkeit – es entsteht spontan, ohne Zurückhaltung oder Maskierung.
Primärgefühle helfen uns, uns selbst und andere besser zu verstehen, da sie uns zeigen, woran wir wirklich sind. Sie ermöglichen eine tiefe Verbindung und machen uns als Menschen authentisch und greifbar.
Sekundärgefühle – gelernt, kontrolliert, unecht
Mein konstruiertes Ich
Sekundärgefühle sind nicht angeboren, sondern entstehen im Laufe unseres Lebens durch Erfahrungen, Erziehung und gesellschaftliche Normen. Sie entwickeln sich oft, weil das ursprüngliche Gefühl – das sogenannte Primärgefühl – in einer bestimmten Umgebung nicht akzeptiert wurde. Stattdessen lernen wir, andere Gefühle „darüberzulegen“, um uns anzupassen oder bestimmte Reaktionen zu vermeiden.
Ein Sekundärgefühl entsteht, wenn wir das ursprüngliche Gefühl unterdrücken oder abdecken. Dies kann verschiedene Gründe haben:
- Das ursprüngliche Gefühl wurde missbilligt oder ignoriert.
- Man wollte mit dem Sekundärgefühl ein bestimmtes Ziel erreichen, etwa Akzeptanz.
- Das Primärgefühl war zu schmerzhaft, um es bewusst zu erleben.
Ein Beispiel: Ein Kind, das Angst empfindet und Schutz sucht, wird wiederholt mit der Aussage „Stell dich nicht so an!“ konfrontiert. Um nicht erneut abgewiesen zu werden, lernt das Kind, seine Angst zu unterdrücken und stattdessen Wut oder Gleichgültigkeit zu zeigen.
Sekundärgefühle wirken oft unecht, da sie kontrolliert oder dramatisiert erscheinen und häufig wie eine „immer gleiche Platte“ wirken. Sie können über lange Zeit anhalten und treten oft wiederholt auf, was sie von den spontanen Primärgefühlen unterscheidet. Dabei erzeugen sie innere Spannungen, denn das eigentliche Bedürfnis oder ursprüngliche Gefühl wird nicht ausgedrückt. Diese unterdrückten Gefühle können auch Auswirkungen auf andere haben: Sekundärgefühle wirken auf das Umfeld häufig kräftezehrend und können beim Gegenüber ein Gefühl von Genervt-Sein oder sogar Distanz auslösen.
Sekundärgefühle sind nicht per se schlecht. Sie können in bestimmten Situationen hilfreich sein, etwa wenn sie uns schützen oder in einem sozialen Kontext angemessen erscheinen. Doch auf Dauer verhindern sie oft, dass wir mit uns selbst im Einklang sind. Das ursprüngliche Primärgefühl bleibt verborgen, und wir verlieren den Zugang zu unseren echten Bedürfnissen.
Sekundärgefühle sind also eine Art „Schutzstrategie“, die uns im Laufe des Lebens hilft, schwierige Situationen zu bewältigen. Gleichzeitig können sie jedoch belastend sein, wenn sie uns von unserem wahren Erleben entfernen und die Beziehung zu uns selbst und anderen erschweren.
Reiz und Reaktion und der Raum dazwischen
Das Reiz-Reaktions-Modell
Viktor Frankl beschreibt den Raum zwischen Reiz und Reaktion als den Ort unserer Freiheit. Ein äußeres Ereignis – der Reiz – führt dann nicht zwangsläufig zu einer unmittelbaren Reaktion. Stattdessen haben wir die Möglichkeit, innezuhalten und bewusst zu wählen, wie wir reagieren.
Erste automatische Reaktion
Emotionen entstehen nicht nur bewusst, sondern oft auch blitzschnell und automatisch. Nach der James-Lange-Theorie löst ein Ereignis (z. B. das plötzliche Auftauchen einer Gefahr) eine physiologische Reaktion aus – schneller Herzschlag, zitternde Knie, weite Pupillen. Diese körperlichen Veränderungen werden dann von uns als Emotion wahrgenommen, etwa als Angst.
Das limbische System, ein evolutionär alter Teil des Gehirns, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Es reagiert auf Bedrohungen, bevor wir bewusst über die Situation nachdenken können. Wir stehen vor der Wahl: Kampf oder Flucht.
Das bedeutet, dass unser Körper schon gehandelt hat, bevor wir wissen, warum wir Angst haben.
Die kognitive Bewertung
Nach der ersten automatischen Reaktion tritt ein bewusster Prozess ein: Wir bewerten die Situation. Diese Bewertung entscheidet, welche Emotion wir erleben und wie intensiv sie ausfällt. Hier wird der „Raum zwischen Reiz und Reaktion“ entscheidend.
Beispiel:
- Ereignis: Ein Kollege sagt: „Das hätten Sie besser machen können.“
- Wahrnehmung: Sie nehmen den Kommentar wahr, hören den Tonfall und spüren möglicherweise eine erste körperliche Reaktion, wie ein leichtes Kribbeln im Bauch oder eine beschleunigte Atmung.
- Bewertung:
Hier entscheiden Ihre Gedanken, wie Sie den Kommentar interpretieren. Das passiert auf Basis Ihrer Werte, Erfahrungen und Glaubenssätzen. Ihre Bewertung könnte wie folgt ausfallen – hier verwende ich zur Illustration die Attributionstheorie:- Lokation: „Vielleicht habe ich tatsächlich nicht alles gegeben“ (intern).
- Zeitstabilität: „Das war diesmal so, aber es ist nicht die Regel“ (instabil).
- Kontrollierbarkeit: „Ich kann mich beim nächsten Mal besser vorbereiten“ (kontrollierbar).
Diese Bewertung führt dann eventuell zu einem positiven Gefühl, wie Motivation oder Zuversicht, da Sie sich die Möglichkeit zur Verbesserung bewusst gemacht haben.
- Reaktion:
Mit dieser positiven Bewertung nehmen Sie das Feedback als Chance wahr und entwickeln vielleicht sogar neue Ideen, wie Sie sich verbessern können. Statt frustriert zu sein, fühlen Sie sich gestärkt und gehen selbstbewusst an die nächste Aufgabe heran.
Körper und Emotion
Embodiment: Die Landkarte der Gefühle
Emotionen spiegeln sich oft in körperlichen Empfindungen wider. Studien zeigen, dass Freude als warme Energie im ganzen Körper spürbar ist, während Traurigkeit eine Schwere in Brust und Schultern verursacht. Diese „Landkarte der Gefühle“ verdeutlicht, dass Körper und Emotionen untrennbar verbunden sind. Wer dies versteht, kann durch gezielte körperliche Bewegungen Emotionen positiv beeinflussen.
An der Stelle noch eine kleine Randbemerkung: Emotionen sind eng mit körperlicher Gesundheit verbunden. Schlaf, Ernährung und Bewegung spielen eine große Rolle. Wenn Sie sich um Ihren Körper kümmern, erleichtert das Ihrem Gehirn die Regulation von Emotionen. Kleine Investitionen in Ihre Gesundheit heute zahlen sich für Ihre emotionale Gesundheit in der Zukunft aus.
Die Körpersprache als emotionaler Verstärker
Unsere Körpersprache ist ein mächtiges Werkzeug. Eine aufrechte Haltung signalisiert Selbstbewusstsein, während ein Lächeln Vertrauen und Offenheit vermittelt. Als Führungskraft können Sie durch bewusste Körpersprache Emotionen nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei ihrem Team positiv beeinflussen.
Arbeitsansätze im Coaching
Emotionsmanagement ist keine rein theoretische Disziplin – es gibt zahlreiche Methoden, die gezielt im Coaching eingesetzt werden können. Nachfolgend stelle ich eine kleine Auswahl in aller Kürze vor.
Die Kraft der inneren Vorstellung
Innere Bilder sowie innere Stimmen haben großen Einfluss auf unsere Emotionen. Ein Coach kann helfen, diese gezielt zu nutzen, um Ängste zu reduzieren oder Motivation zu steigern.
Hin zu oder weg von
Als allererstes könnte man über die Richtung seiner eigenen Gedanken reflektieren:
- Sind Ihre Gedanken auf etwas gerichtet, das Sie verhindern wollen? Dann rückt das Problem in den Fokus.
- Oder richten Sie Ihre Gedanken auf etwas das Sie wollen? Dann skizzieren Sie ein erwünschtes Bild!
Letzteres – der Blick auf das Ziel (Hin zu) – wird Ihnen ein gutes Gefühl geben!
Wir können uns also vorstellen WAS wir möchten.
Arbeit mit Submodalitäten
Darüber hinaus können wir uns auch vorstellen WIE wir etwas möchten.
Submodalitäten sind die kleinsten wahrnehmbaren Eigenschaften unserer Repräsentationssysteme. Salopp gesagt: Submodalitäten sind die kleinen Details, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, aber dann eben auch verändern können.
Vom NLP-Mitbegründer Richard Bandler stammt der Satz: „Die Beherrschung der Submodalitäten macht den Menschen vom Gehirnbesitzer zum Gehirnbenutzer.“
An einem Beispiel möchte ich die Kraft der inneren Vorstellung über die Arbeit mit Submodalitäten kurz vorstellen; anwendbar bei emotionalen Blockaden oder Ängsten gegenüber anderen Personen. Man könnte das Format „Weg mit dem Angstgegner“ nennen. Dieses läuft in folgenden Schritten ab:
- Denken Sie an die Person oder Situation, die Ihnen Angst macht.
Stellen Sie sich diese Person oder Situation in Ihrem Kopf vor, so wie Sie sie gerade wahrnehmen.
- Erstellen Sie ein inneres Bild.
Versuchen Sie, das Bild möglichst detailliert wahrzunehmen. Fragen Sie sich z.B.:
- Ist das Bild farbig oder schwarzweiß?
- Ist es scharf oder verschwommen?
- Bewegt sich etwas oder ist es ein Standbild?
- Ist es laut oder leise?
- Wie fühlen Sie sich dabei körperlich? (z. B. Druck in der Brust, ein Knoten im Magen)
Hier geht es darum, die kleinen Details – die Submodalitäten – Ihres inneren Bildes zu erkunden.
- Spüren Sie Ihre Reaktion.
Achten Sie darauf, welche körperlichen Empfindungen durch dieses Bild ausgelöst werden.
Wo im Körper spüren Sie etwas?
Ist es ein leichter oder starker Druck?
- Verändern Sie das innere Bild.
Jetzt wird es spannend: Spielen Sie mit den Eigenschaften des Bildes!
- Machen Sie es kleiner oder größer.
- Schalten Sie die Farbe aus, sodass es schwarzweiß wird.
- Stellen Sie sich die Person weiter weg vor, wie auf einem Fernseher.
- Verändern Sie die Stimme der Person – z. B. leiser, höher oder sogar lustig.
Es geht darum, das Bild so zu verändern, dass es Ihnen angenehmer erscheint.
- Nehmen Sie die Veränderungen wahr.
Spüren Sie, wie sich Ihre Gefühle und körperlichen Empfindungen ändern. Wird der Druck leichter? Fühlen Sie sich entspannter oder neutraler?
- Stellen Sie sich die Zukunft vor (Future Pace).
Überlegen Sie, wie Sie in Zukunft mit der Person oder Situation umgehen könnten. Testen Sie gedanklich, ob sich die neuen Bilder und Gefühle stimmig anfühlen.
Die Kraft von Anker nutzen
Im Coaching geht es meinen Klienten manchmal darum von einem unerwünschten Ist-Zustand – etwa Unsicherheit, Angst oder Überforderung – zu einem erwünschten Soll-Zustand zu gelangen, z.B. Gelassenheit, Selbstbewusstsein oder Motivation. Dabei spielen innere Ressourcen eine zentrale Rolle. Unter Ressourcen sind hier Stärken, Fähigkeiten und positive Eigenschaften, gemeint die in jedem von uns vorhanden, aber in bestimmten Momenten nicht immer sofort zugänglich sind. Eine Methode, diese Ressourcen gezielt verfügbar zu machen, ist das Ankern, ein wirkungsvolles Werkzeug aus dem NLP.
Ankern beschreibt eine bewusst gesetzte Verbindung zwischen einem äußeren Reiz – zum Beispiel einer bestimmten Bewegung – und einem inneren Zustand. Durch wiederholtes Trainieren dieser Reiz-Reaktions-Kopplung wird der gewünschte Zustand leicht abrufbar, ähnlich wie ein „emotionaler Shortcut“. Ein Beispiel: Wenn eine Person mit Lampenfieber vor Präsentationen kämpft, kann ein Anker gesetzt werden, der Selbstsicherheit aktiviert.
Innere Anteile harmonisieren: Mit sich selbst verhandeln
Methoden wie das Six Step Reframing helfen, Ängste zu erkennen und konstruktiv zu nutzen.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Sie manchmal Dinge tun, die Sie später bereuen? Oder warum in bestimmten Situationen verschiedene Seiten von Ihnen „zu Wort kommen“? Die Antwort darauf liegt in unseren inneren Persönlichkeitsanteilen, die uns ein Leben lang begleiten. Diese Anteile entstehen aus unseren Erlebnissen, den damit verbundenen Gefühlen und den Interpretationen, die wir daraus ziehen. Jeder Anteil hat seine eigene Stimme und verfolgt eine positive Absicht – selbst wenn das Verhalten auf den ersten Blick unangemessen erscheint.
Manchmal übernimmt also ein Anteil die Kontrolle, obwohl seine Dominanz in der aktuellen Situation nicht passend ist. Ein Beispiel: Der „perfektionistische Anteil“ mag Ihnen geholfen haben, in der Schule gute Noten zu erzielen, doch im Arbeitsalltag kann er zur Überforderung führen. Hier ist es wichtig, zwischen der Absicht eines Anteils und seinem konkreten Verhalten zu unterscheiden.
Im Coaching nutzen wir die Methode der Teilearbeit, um mit diesen Anteilen in Kontakt zu treten und sie neu auszurichten. Diese Arbeit hilft, innere Konflikte zu lösen und die verschiedenen Seiten in uns zu harmonisieren. Am Ende steht ein bewusster, konstruktiver Umgang mit unseren Persönlichkeitsanteilen – eine wesentliche Kompetenz für gelungenes Emotionsmanagement.
Umgang mit den Emotionen Anderer
Im Umgang mit den Emotionen anderer hilft es, Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Genau das ermöglicht die Methode der Wahrnehmungspositionen. Sie hilft, Konflikte besser zu verstehen und Lösungen zu entwickeln. Es gibt drei Perspektiven, die nacheinander eingenommen werden: ICH, DU und META.
- ICH-Position: Sie beginnen in Ihrer eigenen Perspektive. Sie fühlen sich ganz in die Situation ein und nehmen Ihre eigenen Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse in dieser Situation wahr.
- DU-Position: Nun versetzen Sie sich in die Lage der anderen Person, etwa Ihres Konfliktpartners. Sie schauen durch dessen Augen und versuchen, seine Gefühle, Wünsche und Sichtweisen so gut wie möglich nachzuvollziehen.
- META-Position: Anschließend betrachten Sie die Situation aus einer neutralen Sicht, wie ein unbeteiligter Beobachter. Sie überlegen: Was habe ich über den Dialog gelernt? Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?
Abschließend kehren Sie in die ICH-Position zurück und prüfen, ob sich die erarbeitete Lösung für Sie stimmig anfühlt.
„Weisheit hat ihren Ursprung in der Fähigkeit, die Welt aus verschiedenen Perspektiven zu beschreiben und dadurch ihren Zusammenhang zu verstehen.“ Gregory Bateson
Zusammenfassung
Emotionen begleiten uns ständig und prägen, wie wir die Welt erleben, Entscheidungen treffen und auf andere reagieren. Während Emotionen schnelle, körperliche Reaktionen auf äußere oder innere Reize sind, spiegeln Gefühle die bewusste Bewertung dieser Emotionen wider. Dieses Zusammenspiel beeinflusst unser Handeln, unser Wohlbefinden und unsere Beziehungen.
Emotionsmanagement ist eine der wertvollsten Fähigkeiten, die wir entwickeln können. Es erfordert Achtsamkeit, Reflexion und Übung. Wer Emotionen versteht und steuert, kann nicht nur besser mit sich selbst umgehen, sondern auch das Leben anderer positiv beeinflussen.
Der Blogbeitrag skizziert beispielhaft eine kleine Auswahl an Coaching-Methoden, die im Kontext von Emotionsmanagement gerne eingesetzt werden: Mit inneren Bildern und Submodalitäten können Ängste reduziert und gewünschte Zustände geschaffen werden. Ankern ermöglicht positive innere Zustände gezielt abzurufen. Die Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen hilft, innere Konflikte zu harmonisieren, indem unangemessene Verhaltensweisen neu ausgerichtet werden. Schließlich bietet die Methode der Wahrnehmungspositionen eine Struktur, um die Emotionen anderer besser zu verstehen und Konflikte lösen zu können.
Emotionsmanagement ist keine Option, sondern eine Schlüsselkompetenz – im Beruf, in Beziehungen und für die eigene Lebenszufriedenheit. Es geht nicht darum, Emotionen zu unterdrücken, sondern sie als Ressource zu nutzen, um bewusst und erfüllt zu leben.