Stressmanagement

Umgang mit Stress

Umgang mit Stress

In diesem Blogbeitrag geht es um folgende Inhalte:

  • Stressmanagement: Definition und eine ganzheitliche Herangehensweise durch Erhöhung der Stressresistenz sowie die prinzipiellen Schritte für ein funktionierendes Stressmanagement
  • Persönliches Stressempfinden: Eustress, Distress und der Flow
  • Stressfaktoren
  • Stress und die Vorgänge im Gehirn: Die Amygdala als Alarmschalter für Stress im Gehirn, der menschliche Kampf-Flucht-Mechanismus bei Alarm sowie das Gehirn welches gerne ressourcenschonend (als praktisch im Energiesparmodus) arbeitet
  • Stress – Eine Frage der Haltung: Stressreaktionsebenen, die Wirklichkeit und unsere Wahrnehmung, Glaubenssätze und innere Antreiber
  • Stressmodelle: Das Stressreaktionsmodell nach Selye, das transaktionale Stress-Modell nach Lazarus, die Theorie der Ressourcenerhaltung nach Hobfoll und die Stressampel nach Kaluza
  • Unsere persönliche Stresskompetenz: Instrumentell, mental und regenerativ sowie die Achtsamkeit

Stressmanagement

Definition von Stressmanagement

Stressmanagement umfasst das Wissen und die Fähigkeiten, sich in Zeiten hoher Anstrengung oder Belastung schnell und effektiv entspannen zu können. Es ist wichtig, in stressigen Situationen Strategien anwenden zu können, um die körperliche und geistige Anspannung zu reduzieren und Entspannung zu fördern.

Ganzheitliche Herangehensweise durch Erhöhung der Stressresistenz

Eine ganzheitliche Herangehensweise im Stressmanagement zielt darauf ab, die Persönlichkeit dauerhaft zu stabilisieren, damit stressige Situationen in der Zukunft weniger belastend empfunden werden. Für diese nachhaltige Vorgehensweise – sozusagen mit dem Ziel einer erhöhten Stressresistenz – ist die Analyse der eigenen Denkmuster und Verhaltensweisen notwendig. Daraus können neue, stärkende Gewohnheiten entwickelt werden.

Individuelles Stressempfinden

Das Stressempfinden ist dabei ganz individuell!

Jeder Mensch hat seine eigene Art und Weise, Situationen und Ereignisse wahrzunehmen. Was für eine Person stressig sein kann, mag für eine andere Person weniger belastend sein.

Die individuellen Erfahrungen, Überzeugungen, Werte und Persönlichkeitsmerkmale spielen eine wesentliche Rolle bei der Wahrnehmung und Bewertung von Stressoren.

Die Schritte für funktionierendes Stressmanagement

Die Schritte für funktionierendes Stressmanagement

Kurzum geht es bei einem funktionierenden Stressmanagement darum

  • Stress zu verstehen, was Stress eigentlich ist und was in meinem Gehirn abläuft,
  • Stress zu erkennen, was meine Stressmuster sind und wie ich meine Stress-Frühwarnsignale erkenne und
  • Stress zu bewältigen, durch Schaffen von Ausgleich und Entspannung sowie durch Stärkung meiner Stressresistenz.

Persönliches Stressempfinden

Die Wahrnehmung von Stress ist individuell und kann von Person zu Person unterschiedlich wahrgenommen werden. Verschiedene Menschen können die gleiche Situation im Kontext Belastung oder Anspannung also durchaus unterschiedlich empfinden.

Und manche nehmen die gleiche Situation positiv, andere diese negativ auf.

Eustress und Distress

Eustress und Distress

Positiver Stress (Eustress): Positiver Stress tritt auf, wenn eine Person in einer herausfordernden, aber bewältigbaren Situation ist und sich motiviert und energiegeladen fühlt. Er kann als stimulierend und aufregend empfunden werden. Also z.B. ein sportlicher Wettbewerb, ein wichtiger Vortrag oder die Planung einer Veranstaltung. Positiver Stress kann dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit zu steigern und ein Gefühl der Erfüllung zu vermitteln.

Negativer Stress (Distress): Negativer Stress tritt auf, wenn eine Person mit überwältigenden oder belastenden Situationen konfrontiert ist und sich überfordert, ängstlich oder eben gestresst fühlt. Er kann negative Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit haben. Beispiele für negativen Stress sind hoher Arbeitsdruck, finanzielle Sorgen oder Konflikte in Beziehungen.

Flow

Flow

Der Flow ist ein Zustand des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit, bei dem eine Person vollkommen fokussiert und konzentriert ist. Es ist ein Zustand der optimalen Leistung und des Glücksgefühls, der oft mit einem Gefühl der Zeitlosigkeit einhergeht. Der Flow-Zustand kann ein Gefühl von Erfüllung, Zufriedenheit und Wohlbefinden vermitteln. Flow tritt auf, wenn die Anforderungen einer Aktivität mit den Fähigkeiten der Person in Einklang gebracht werden. Es kann in verschiedenen Bereichen auftreten, wie beim Sport, beim Musizieren, beim Arbeiten oder beim Lesen.

Das Flow-Modell wurde von Mihaly Csikszentmihalyi entwickelt und 1990 in seinem Buch „Flow: The Psychology of Optimal Experience” veröffentlicht.

Um den Zustand des Flows zu erreichen, müssen laut dem Flow-Modell allerdings folgende Bedingungen erfüllt sein – die 8 Elemente des Flows:

  1. Klarheit der Ziele und unmittelbare Rückmeldungen: Im Flow-Zustand sind die Ziele klar definiert und die Person erhält kontinuierlich Rückmeldungen über ihren Fortschritt. Dies ermöglicht eine klare Ausrichtung der Handlungen und ein Gefühl der Kontrolle.
  2. Hohe Konzentration auf ein begrenztes Feld: Im Flow-Zustand ist die Aufmerksamkeit stark fokussiert und auf das aktuelle Geschehen gerichtet. Ablenkungen werden ausgeblendet und es entsteht ein intensiver Fokus auf die Aufgabe.
  3. Verhältnis zwischen Anforderungen und Fähigkeiten: Der Flow tritt auf, wenn die Anforderungen der Aufgabe mit den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Einklang stehen. Weder Überforderung noch Unterforderung führen zum Flow, sondern ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Herausforderung und Kompetenz.
  4. Gefühl von Kontrolle: Im Flow-Zustand hat man ein Gefühl der Kontrolle über die Handlungen und den Fortschritt. Man hat das Vertrauen, dass man die nötigen Fähigkeiten besitzt, um mit den Anforderungen umzugehen, und kann das Geschehen aktiv steuern.
  5. Mühelosigkeit des Handlungsablaufs: Im Flow-Zustand fühlen sich die Handlungen mühelos an. Die Person ist in einem harmonischen Flusszustand, in dem die Handlungen reibungslos und intuitiv erfolgen, ohne übermäßige Anstrengung.
  6. Veränderung des Zeiterlebens: Im Flow-Zustand kann das Zeitempfinden verändert sein. Die Zeit scheint entweder schneller zu vergehen oder wird vergessen, da die Konzentration und das Aufgehen in der Tätigkeit den Fokus auf die Zeit verringern.
  7. Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein: Im Flow-Zustand verschmelzen Handlung und Bewusstsein miteinander. Man ist vollständig im gegenwärtigen Moment präsent und erlebt eine Art Verschmelzung mit der Tätigkeit. Es entsteht ein Gefühl von Einheit und Fließen.
  8. Intrinsische Motivation: Die Flow-Erfahrung ist selbst belohnend, d.h. die Tätigkeit wird aus eigenem Interesse und Freude an der Sache ausgeführt, unabhängig von äußeren Belohnungen. Die Erfahrung des Flow an sich ist eine Quelle der Zufriedenheit und Erfüllung.

Das Flow-Modell betont den Wert und die Bedeutung von Flow-Erfahrungen für das persönliche Wachstum, die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden einer Person. Es wird angestrebt, Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, den Flow-Zustand in verschiedenen Lebensbereichen zu erreichen, sei es bei der Arbeit, im Sport, in kreativen Aktivitäten oder im Alltag.

Stressfaktoren

Stressfaktoren

Mögliche Stressfaktoren (auch Stressoren genannt) gibt es viele!  Diese Stressoren lassen sich in folgende Kategorien einteilen:

  • Physikalische Stressoren
  • Körperliche Stressoren
  • Psychische Stressoren
  • Leistungsbedingte Stressoren
  • Soziale Stressoren

Im Folgenden werden pro Kategorie ein paar Beispiele genannt und erläutert.

Physikalische Stressoren

Lärm: Lautstärke und störende Geräusche können zu Stress führen: Lauter Straßenverkehr, laute Baustellen, laute Nachbarn oder laute Maschinen in Arbeitsumgebungen

Hitze oder Kälte: Extreme Temperaturen können stressig sein. Übermäßige Hitze, wie sie beispielsweise in heißen Sommermonaten oder in stark beheizten Räumen auftreten kann, oder extreme Kälte, wie sie in kalten Wintern oder in ungeheizten Umgebungen vorkommen kann, können den Körper belasten.

Licht: Intensives Licht oder grelles Licht, wie es beispielsweise bei der Arbeit unter starken Scheinwerfern oder bei übermäßiger Belichtung von Bildschirmen auftreten kann, kann anstrengend für die Augen sein und Stress verursachen.

Chemische Belastungen und Umweltverschmutzung: Exposition gegenüber Schadstoffen in der Umwelt, wie Luftverschmutzung, Chemikalien oder Giftstoffen, kann den Körper belasten und zu Stressreaktionen führen.

Körperliche Stressoren

Krankheit oder Verletzung: Schmerzen, Beschwerden und die Einschränkung der körperlichen Funktionen können sowohl körperlichen als auch emotionalen Stress verursachen.

Schlafmangel: Mangel an ausreichendem Schlaf oder gestörter Schlaf kann den Körper belasten, Menschen reizbarer machen und zu Stress führen.

Ungünstige Ernährung: Eine unausgewogene Ernährung, der übermäßige Konsum von stimulierenden Substanzen wie Koffein oder Alkohol, sowie der Mangel an wichtigen Nährstoffen können den Körper belasten und zu körperlichem Stress führen.

Hormonelle Schwankungen: Natürliche hormonelle Veränderungen im Körper, wie sie während der Pubertät, Menstruation, Schwangerschaft oder Wechseljahre auftreten, können körperlichen Stress verursachen.

Psychische Stressoren

Mangelndes Selbstbewusstsein: Ein mangelndes Selbstbewusstsein kann ein psychischer Stressor sein. Das Gefühl der Unsicherheit in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten und das ständige Zweifeln an sich selbst können zu einer anhaltenden Belastung führen.

Ängste: Sei es eine generalisierte Angststörung, soziale Ängste, Phobien oder Panikattacken. Die ständige Sorge, Bedrohungen oder Gefahren ausgesetzt zu sein, kann zu anhaltendem Stress führen.

Gefühlte Perspektivlosigkeit: Wenn eine Person das Gefühl hat, keine klare Richtung oder Ziele für die Zukunft zu haben, kann dies zu psychischem Stress führen. Das Gefühl, dass das eigene Leben keine Bedeutung hat oder dass es keine Möglichkeiten für persönliches Wachstum oder Erfolg gibt, kann einen erheblichen Stress verursachen und das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen.

Fremdbestimmung: Das Gefühl, dass das eigene Leben von äußeren Umständen, Erwartungen oder anderen Menschen kontrolliert wird, kann zu psychischem Stress führen. Das Fehlen von Autonomie und die Unfähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen oder das eigene Leben zu gestalten, kann das Gefühl der Hilflosigkeit und Frustration verstärken.

Gefühl von Sinnlosigkeit: Das Gefühl, dass das eigene Leben keinen Sinn oder keine Bedeutung hat, kann ein bedeutender Stressor sein. Wenn eine Person das Gefühl hat, dass ihre Handlungen keine positiven Auswirkungen haben oder dass sie keine Bedeutung im größeren Kontext haben, kann dies zu einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und des psychischen Stresses führen.

Leistungsbedingte Stressoren

Hohe Arbeitsbelastung: Eine übermäßige Menge an Arbeit, straffe Fristen oder eine hohe Anzahl von Aufgaben; der Druck, viele Aufgaben in kurzer Zeit zu erledigen, kann zu einer übermäßigen Belastung führen und Stressreaktionen hervorrufen.

Zeitdruck: Das Gefühl, ständig unter Zeitdruck zu stehen und nicht genügend Zeit für Aufgaben, Projekte oder Prüfungen zu haben, kann stressig sein.

Hohe Erwartungen: Wenn hohe Erwartungen an die eigene Leistungsfähigkeit gesetzt werden, sei es durch Vorgesetzte, Kollegen oder sich selbst, kann dies zu Stress führen. Der Druck, den eigenen Standards gerecht zu werden oder die Erwartungen anderer zu erfüllen, kann belastend sein.

Angst vor Versagen: Die Angst, in einer bestimmten Aufgabe, Prüfung oder Leistung zu versagen, kann zu Stress führen. Die Furcht vor negativen Konsequenzen oder der Bewertung der eigenen Fähigkeiten kann psychischen Druck verursachen.

Konkurrenzdruck: In Wettbewerbssituationen, sei es im beruflichen oder akademischen Umfeld, kann der Druck, sich mit anderen zu messen oder sich gegen andere durchzusetzen, zu Stress führen.

Bewertungssituationen: Situationen, in denen man bewertet oder beurteilt wird, wie beispielsweise mündliche Prüfungen, Leistungsbewertungen oder Vorstellungsgespräche, können zu Stress führen. Die Angst vor negativer Kritik oder Ablehnung kann zu Leistungsstress führen.

Soziale Stressoren

Konflikte in zwischenmenschlichen Beziehungen: Konflikte mit Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen oder anderen Personen im persönlichen Umfeld können zu erheblichem sozialem Stress führen. Auseinandersetzungen, Unstimmigkeiten oder ungelöste Probleme in Beziehungen können unser Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen.

Soziale Ablehnung oder Ausgrenzung: Das Gefühl, von anderen abgelehnt, ausgegrenzt oder isoliert zu werden, kann einen erheblichen sozialen Stress verursachen.

Öffentliches Sprechen oder Auftreten: Situationen, in denen eine Person im öffentlichen Raum sprechen oder auftreten muss, wie zum Beispiel Präsentationen, Vorträge oder Auftritte, können sozialen Stress verursachen.

Peer-Druck: Der Druck, sich an die Erwartungen oder Verhaltensweisen von Gleichaltrigen oder einer bestimmten sozialen Gruppe anzupassen, kann zu sozialem Stress führen. Der Wunsch, gemocht oder akzeptiert zu werden, kann dazu führen, dass man sich unter Druck gesetzt fühlt, Dinge zu tun, die man eigentlich nicht möchte.

Rollenkonflikte: Konflikte zwischen den unterschiedlichen Rollen, die eine Person in ihrem Leben einnimmt, wie zum Beispiel die Rolle als Elternteil, Ehepartner, Arbeitnehmer oder Student, können zu sozialem Stress führen. Der Druck, den Anforderungen und Erwartungen in den verschiedenen Rollen gerecht zu werden, kann belastend sein.

Stress und die Vorgänge im Gehirn

Unser Gehirn hat einen eingebauten Kampf-Flucht-Mechanismus (nach Walter Cannon (1871 – 1945). Dieser hat der Menschheit letztlich das Überleben gesichert (Stichwort: Flucht vor wilden Tieren).

Außerdem arbeitet unser Gehirn sehr gerne „ressourcenschonend“, sozusagen im Energiesparmodus. Damit sind das gewohnte Denken und damit gewohnte Fühlen und Handeln gemeint. Über dieses Muster benötigt das Gehirn und damit unser gesamter Körper wesentlich weniger Energie.

Die Amygdala: Der Alarmschalter für Stress im Gehirn

Der Alarmschalter für Stress im Gehirn (Amygdala)

Unser Gehirn besteht hauptsächlich aus drei Bereichen, die sich im Verlauf der Evolution nacheinander entwickelt haben.

Das älteste Gehirn ist das sogenannte Reptiliengehirn, bestehend aus dem Hirnstamm und dem Kleinhirn.

Der Hirnstamm entstand bereits vor über 500 Millionen Jahren als der älteste Teil des Gehirns und ist hauptsächlich für grundlegende Lebensfunktionen wie die Kontrolle des Herzschlags, der Atmung und des Wach-Schlaf-Rhythmus zuständig.

In der Folge entwickelte sich vor 500 – 300 Millionen Jahren das Kleinhirn, das für unsere Koordinationsfähigkeit, die unbewusste Wahrnehmung von Bewegung und Raum sowie die Steuerung unserer Bewegungen verantwortlich ist.

Das Mittelhirn, auch limbisches System genannt, entstand vor mindestens 150 Millionen Jahren und beherbergt unser autonomes bzw. vegetatives Nervensystem. Von hier aus werden Körper, Geist und Sein gesteuert, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Man nennt diesen Teil des Gehirns auch das emotionale Gehirn, da es für unser emotionales Verhalten verantwortlich ist. Das limbische System spielt auch eine Rolle bei unserem Langzeitgedächtnis.

Der jüngste Teil des Gehirns ist nur etwa 3 Millionen Jahre alt – der Neokortex oder das Großhirn. Es umgibt die zuerst entstandenen Bereiche und beherbergt unter anderem unsere bewusste Selbstwahrnehmung, den freien Willen, unsere Sprachfähigkeit und unser rationales Denken – all das, was wir traditionell als Bewusstsein und Verstand betrachten.

Die Amygdala ist ein mandelförmiger Kern inmitten des limbischen Systems. Die Amygdala bewertet die eintreffenden Informationen hinsichtlich ihrer Bedrohungsstufe und emotionalen Bedeutung. Sie “entscheidet” also, ob eine Situation für uns gefährlich ist, Angst verursacht oder harmlos ist.

Kampf-Flucht-Mechanismus bei Alarm

Kampf-Flucht-Mechanismus bei Alarm

Wenn die Amygdala eine Bedrohung erkennt, werden Körper und Geist in Alarmbereitschaft versetzt! Und der Sympathikus wird aktiviert.

Der Sympathikus ist der anregende Teil des autonomen Nervensystems, das die unwillkürliche Steuerung der meisten inneren Organe und des Blutkreislaufs übernimmt. Der Sympathikus löst nun durch Stresshormone die körperlichen Reaktionen des Kampf-Flucht-Mechanismus aus.

Körper und Geist bringen sich auf ihre maximale Kampf- oder Fluchtstärke:

  • Das Herz schlägt schneller.
  • Blutdruck und Atemfrequenz steigen an, um den Körper mit mehr Sauerstoff zu versorgen.
  • Die Leber gibt mehr Zucker ins Blut ab, um Muskeln und Gehirn mit mehr Energie zu versorgen.
  • Die Pupillen weiten sich und die Linse wird klarer, um besser und weiter sehen zu können.

Gleichzeitig werden mehrere Schutzmechanismen aktiviert:

  • Die Schweißproduktion nimmt zu, um eine Überhitzung des Körpers bei Kampf oder Flucht zu vermeiden.
  • Die Blutgerinnung wird erhöht, um im Falle einer Verletzung nicht zu stark zu bluten.
  • Endorphine werden ins Blut ausgeschüttet, die uns während der Alarmbereitschaft schmerzunempfindlicher machen.

Alle nicht direkt fürs Überleben notwendigen Funktionen im Körper werden unterdrückt: Sexualtrieb, Müdigkeit, Hungergefühl, Verdauung und Immunabwehr. Diese Schutz- und Unterdrückungsmechanismen erklären, warum wir uns in stressigen Situationen zunächst kraftvoll und konzentriert fühlen, aber dann schnell feststellen, dass uns etwas schmerzt oder wir völlig übermüdet sind.

Dass unsere Urahnen auf Stress mit dem Kampf-Flucht-Mechanismus reagierten war sehr nützlich. Es waren früher vor allem die Gefahren durch wilde Tiere, wie den berühmt berüchtigten Säbelzahntiger, die unsere Vorfahren in Angst und Schrecken versetzten. Die vom Kampf-Flucht-Mechanismus abgeleiteten automatischen Reaktionen ermöglichten der Menschheit letztlich das Überleben – es war also ein Überlebensprogramm!

Heutzutage stellt der moderne Alltag dieses Überlebensprogramm allerdings manchmal in Frage. Stressfaktoren wie Zeitmangel, Leistungsdruck und Ängste aktivieren das evolutionäre Alarmprogramm in Körper und Geist und setzen uns auch heute in einen Alarmzustand.

Das Gehirn im ressourcensparenden Energiesparmodus

Der Energiesparmodus ist eine Art Schutzmechanismus des Gehirns. Das Denken von gewohnten Gedanken erfordert nur wenig Energie.

Unser Gehirn besteht aus 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) und sogenannten neuronalen Netzwerken. Wenn wir manche Situationen – hier v.a. Stresssituationen – unbedacht angehen, also dem Energiesparmodus folgend immer gleich denken, bilden wir bildhaft gesprochen über die Zeit Neuronenautobahnen. Das sind dann unsere Gedankenautobahnen, die wir eben häufiger fahren und nutzen, da diese entsprechend breiter ausgebaut sind.

Die menschlichen Denksysteme

Der Psychologe Daniel Kahneman (geb. 1934) hat sich durch seine Forschung zu Heuristiken (mentale Abkürzungen oder Denkansätze zur schnellen Problemlösung oder Entscheidungsfindung) und kognitiven Verzerrungen einen Namen gemacht.

Kahneman beschreibt das menschliche Gehirn als zwei Denksysteme:

  • Das schnelle und intuitive System 1 und
  • Das langsame und reflektierende System 2.

System 1 ist schnell und automatisch und arbeitet größtenteils unbewusst. Es ist verantwortlich für die schnelle Mustererkennung, schnelle Entscheidungsfindung und schnelle Reaktionen auf Veränderungen in der Umgebung. System 1 basiert auf vereinfachenden Denkregeln und Vorurteilen, die oft zur Vereinfachung von Entscheidungen und Problemlösungen verwendet werden.

System 2 ist für die Bearbeitung komplexer Aufgaben wie Planung, Abwägung von Optionen, logisches und kritisches Denken ausgelegt.

Die meisten Entscheidungen oder Handlungen, die wir im Laufe eines Tages treffen (ca. 95 %), basieren auf System 1, während nur wenige (ca. 5 %) auf System 2 beruhen.

Wenn es nun darum geht, mit Stress umzugehen, kann das bewusste Denken des Systems 2 Vorteile bieten! Indem man sich bewusst Zeit nimmt, um über Stressoren nachzudenken und reflektierte Entscheidungen zu treffen, kann man besser mit ihnen umgehen. Das System 2 ermöglicht es, Stressoren rational zu bewerten, mögliche Lösungen zu analysieren und Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln.

Stress: Eine Frage der Haltung

Die Stressreaktionsebenen

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Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

(Talmud)

Stressreaktionsebenen

Bei Stress gibt es eine enge Verbindung zwischen unseren Gedanken, Gefühlen und unserem Körper.

Stress kann durch verschiedene Faktoren – den Stressoren –  ausgelöst werden. Unserem (Stress)Verhalten gehen in aller Regel Gedanken, Gefühle und körperliche Empfindung voraus. Diese Reize auf diesen drei möglichen Stressreaktionsebenen bilden sozusagen unser inneres Stress-Frühwarnsystem.

Die Grafik stellt dar, dass sich die Stressreaktionsebenen gegenseitig beeinflussen und in Korrelation stehen.

Beispiel für eine negative Haltung

Angenommen, eine Person hat eine wichtige Präsentation vor einem großen Publikum. Dies kann zu Stress führen, da sie sich Sorgen macht, wie sie abschneiden wird und ob sie den Erwartungen gerecht werden kann.

Gedanken: Die Person kann negative Gedanken haben, wie zum Beispiel: “Ich werde es nicht schaffen. Ich werde mich blamieren. Was, wenn ich einen Fehler mache?” Diese negativen Gedanken verstärken den Stress und erhöhen das Gefühl von Druck und Angst.

Gefühle: Die Person kann eine Reihe von Gefühlen erleben, die mit Stress verbunden sind. Dazu gehören Angst, Nervosität, Unsicherheit und Sorge. Diese Gefühle können die kognitive Leistungsfähigkeit beeinflussen und das Selbstvertrauen verringern.

Körper: Der Stress kann sich auch in körperlichen Reaktionen manifestieren. Die Person kann eine beschleunigte Herzfrequenz, erhöhten Blutdruck, Muskelverspannungen, Schweißausbrüche oder Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Übelkeit verspüren. Diese physiologischen Reaktionen sind Teil der sogenannten “Kampf-oder-Flucht”-Reaktion des Körpers auf Stress.

Es besteht eine enge Wechselwirkung zwischen diesen drei Komponenten. Negative Gedanken und Sorgen können zu unangenehmen Gefühlen führen, die wiederum körperliche Reaktionen auslösen können. Auf der anderen Seite können körperliche Symptome wie beschleunigter Herzschlag oder Muskelverspannungen die negativen Gedanken verstärken und die Angstgefühle verstärken … ein Teufelskreis.

Beispiel für eine positive Haltung

Nun könnte man aber auch positiv auf diesen Kreis einwirken!

Eine veränderte Körperhaltung: Nehmen wir an die Person stellt sich aufrecht hin, Schultern zurück, Kopf gerade, ruhig Atmung, souveränes Lächeln.

Hier ist, wie sich die Veränderung der Körperhaltung auf die anderen Aspekte auswirken könnte:

Gedanken: Durch die aufrechte Haltung kann die Person ein Gefühl von Stärke und Selbstbewusstsein vermitteln. Dies kann zu positiven Gedanken führen, wie zum Beispiel: “Ich habe mich gut vorbereitet. Ich kann das schaffen. Ich werde meine Präsentation erfolgreich meistern.” Damit signalisiert die Person nicht nur dem Gegenüber dieses positive Bild, sondern auch seinem Gehirn. Diese positiven Gedanken können das Selbstvertrauen stärken und negative Gedanken reduzieren.

Gefühle: Die aufrechte Körperhaltung kann zu einem Gefühl von Entschlossenheit und Sicherheit beitragen. Indem die Person eine selbstbewusste und starke Körperhaltung einnimmt, kann sie das Gefühl von Nervosität und Unsicherheit reduzieren. Dadurch können positive Gefühle wie Zuversicht, Selbstsicherheit und Optimismus entstehen.

Körper: Die zuvor bewusst initiierte ruhige Atmung und veränderte Körperhaltung führt jetzt weiter zu einer Beruhigung des Herzschlags und zu einer Reduzierung von Muskelverspannungen.

Der Stresslevel sinkt.

Die Wirklichkeit und unsere Wahrnehmung

Platzhalter

Die größte Waffe gegen Stress ist unsere Fähigkeit, auf eine Situation anders zu reagieren.

(William James)

Neurophysiologische Prozesse (Beispiel Zitrone)

Wussten Sie, dass es aus neurophysiologischer Sicht für das Gehirn keinen Unterschied macht, ob die Handlung tatsächlich ausgeführt wird oder ob man sich eine Handlung nur vorstellt?

Stellen Sie sich vor, Sie nehmen eine Zitrone in die Hand, fühlen Ihre Schale, die Textur und riechen den intensiven Zitronenduft. Sie stellen sich nun eine Zitronenscheibe vor und dass Sie in diese hineinbeißen.

Die Speicheldrüsen beginnen nun mehr Speichel zu produzieren, um die Verdauung der Zitrone vorzubereiten.

Das Gehirn aktiviert ähnliche neurophysiologische Prozesse wie beim tatsächlichen Essen einer Zitrone, obwohl Sie in Wirklichkeit keine Zitrone essen. Das zeigt, dass die Vorstellung einer Handlung im Gehirn ähnliche Reaktionen hervorrufen kann wie die tatsächliche Ausführung dieser Handlung.

Die Wirklichkeit und unsere Wahrnehmung

Die Wahrnehmung des Menschen ist ein aktiver Konstruktionsprozess. Wir nehmen also nicht die objektive Wirklichkeit wahr, sondern konstruieren uns unsere Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist stets das Ergebnis persönlicher Erfahrungen und Bewertungen. Jeder sieht durch seine Brille auf die Realität und konstruiert sich sein ganz individuelles Bild von der Wirklichkeit:

Um die vielen Sinneswahrnehmungen pro Sekunde verarbeiten zu können, filtert unser Gehirn die Eindrücke heraus, die aktuell von Bedeutung sind. Wir sprechen hier von unserem neurologischen Filter.

Unsere individuellen Filter beeinflussen maßgeblich, was wir überhaupt aufnehmen und wie wir das Wahrgenommene bewerten. Dieser Prozess hängt ab von Interessen, Werten, Bedürfnissen, Überzeugungen, Erfahrungen und Vorurteilen.

Und mit unserem Sprachfilter verbalisieren wir unsere Wirklichkeit. Wir tilgen Informationen (lassen also das ein oder andere weg) oder generalisieren oder verzerren Aussagen so, dass diese besser zu unserem Weltbild passen.

Glaubenssätze

Aufgrund gemachter Erfahrungen und Werte bilden wir uns unbewusst einen Rahmen, welcher unser Denken und Handeln beeinflusst. In diesem Rahmengeflecht stellen Glaubenssätze die Pfeiler dar. Glaubenssätze können für unser Denken und Handeln hilfreich oder auch hinderlich sein. Dabei gibt es positive Glaubenssätze und negative (bremsende) Glaubenssätze.

Oftmals basieren Glaubenssätze auf den Botschaften, die wir in unserer Kindheit von unseren Eltern erhalten haben und ungeprüft übernommen haben. Als Kinder haben wir ohne Zweifel daran geglaubt, was uns gesagt wurde, und wir haben die Erfahrungen, die wir gemacht haben, als unsere persönliche Realität akzeptiert. Wenn wir als Kinder den Anweisungen unserer Eltern gefolgt sind, konnten wir uns ziemlich sicher sein, ihre Anerkennung zu erhalten, was uns ein Gefühl der Akzeptanz vermittelte. Diese elterlichen Anweisungen haben uns als Kinder ein Muster gegeben, an dem wir uns in neuen Situationen orientieren konnten, um auch dort die Zuneigung anderer Menschen zu gewinnen. Selbst als Erwachsene folgen wir weiterhin unbewusst diesem erlernten Muster. Es hat sich zu einem bedeutenden Filter entwickelt, der unsere Wahrnehmung, unser Denken, unser Handeln und unsere Sicht auf die Welt beeinflusst.

Diese Muster, die unser Verhalten im Wesentlichen antreiben, werden auch als “innere Antreiber” bezeichnet.

Innere Antreiber

Innere Antreiber

Diese Antreiber (so eine Art Miniskripte) werden in frühen, prägenden Interaktionsprozessen erworben. Insbesondere in problematischen Situationen oder unter Stress werden diesen Antreibern quasi programmiert gefolgt, weil sie sich in der bisherigen Lebensgeschichte als hilfreich oder sinnvoll erwiesen haben. Die fünf verbreiteten Antreiber (nach Taibi Kahler), auf die sich Menschen in besonders herausfordernden Situationen verlassen sind:

  • Sei perfekt!
  • Beeil Dich!
  • Streng Dich an!
  • Mach es allen recht!
  • Sei stark!

Innere Antreiber stellen im Grunde eine positive Qualität dar. Schließlich sind sie unsere frühesten Erfolgsfaktoren und haben uns Anerkennung unseres Umfeldes gesichert. Situativ, im richtigen Kontext eingesetzt, stellen sie eine Quelle vieler Stärken dar. Zum Problem werden sie, wenn wir keine Alternativen ausbilden und sich der Mechanismus absolutistisch als Allzweckmittel unabhängig vom Kontext automatisiert. Dann können sie als affektive Reaktionen auf bestimmte Reize/Trigger destruktiv werden.

Unsere inneren Antreiber können dann zu unseren ganz persönlichen Stressverstärkern werden!

Hierzu ein Beispiel: Eine Person x kommt für sich zur Einschätzung: „Person y findet meinen Beitrag schlecht. Sie mag mich nicht.“ und generalisiert möglicherweise irrational „Niemand mag mich und meine Arbeit.“. Die dabei unbewusst aktivierte Überzeugung wirkt wie eine Forderung und könnte lauten „Es ist mir wichtig, von Anderen akzeptiert und gemocht zu werden“. Im Antreiber-Modell würde das dem Typ „Mach es allen recht!“ und dem Wunsch zur Erfüllung des Grundbedürfnisses nach Bindung und Zugehörigkeit entsprechen. Das Beispiel legt nahe, welche Bedeutung das Antreiber-Modell im Hinblick auf persönliches Stressmanagement haben kann. Gleichzeitig sind mit bestimmten Antreibern auch erworbene Stärken verbunden. So wird der durch „Mach es allen recht!“ motivierte Typ vermutlich ein guter Teamplayer sein, weil ihm befriedigend gute Beziehungen mit Anderen ein großes Bedürfnis sind.

Die inneren Antreiber können dazu führen, dass Menschen sich gestresst fühlen, da sie unrealistische Erwartungen an sich selbst haben oder sich ständig unter Druck setzen. Indem man sich dieser inneren Antreiber bewusst wird und lernt, sie zu erkennen und zu hinterfragen, kann man seinen Umgang mit Stress verbessern und gesündere Denkmuster entwickeln.

Stressmodelle

Seit den 1920er Jahren wurden (und werden weiterhin) Stressmodelle aufgestellt, um den Stress und seine Folgen auf den Menschen zu erforschen und zu erklären.

Stressreaktionsmodell nach Selye

Stressreaktionsmodell nach Selye

Das Stressreaktionsmodell von Hans Selye (1907 – 1982), auch bekannt als das allgemeine Anpassungssyndrom (GAS, General Adoption Syndrom), beschreibt die körperliche Reaktion auf Stress.

Selye argumentierte, dass der Körper auf verschiedene Arten von Stress mit einer bestimmten physiologischen Reaktion reagiert, unabhängig von der spezifischen Art des Stressors.

Das Modell hat drei Phasen, die im Folgenden erläutert werden.

  1. Alarmreaktion: Diese Phase tritt ein, wenn der Körper den Stressor erkennt. Es setzt eine körperliche Kampf- oder Fluchtreaktion ein, bei der der Körper sofort Energie mobilisiert, um mit der Bedrohung umzugehen. Adrenalin wird freigesetzt, um die Herzfrequenz zu erhöhen, die Muskeln zu aktivieren und die Sinne zu schärfen.
  2. Resistenz: Wenn der Stressor andauert und die Ressourcen des Körpers weiterhin beansprucht werden, tritt die Widerstandsphase ein. Der Körper passt sich an den Stress an und versucht, mit ihm umzugehen, indem er die Hormonproduktion reguliert und seine Widerstandsfähigkeit erhöht. Die Widerstandsphase kann für eine begrenzte Zeit aufrechterhalten werden.
  3. Erschöpfung: Wenn der Stressor über einen längeren Zeitraum anhält oder die Ressourcen des Körpers erschöpft sind, tritt die Erschöpfungsphase ein. Der Körper kann die Anpassung nicht aufrechterhalten, und die physiologischen Ressourcen werden zunehmend erschöpft. Dies kann zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen, einschließlich körperlicher und psychischer Erkrankungen.

Selye betonte, dass das GAS-Modell nicht spezifisch für einen bestimmten Stressor ist, sondern eine allgemeine Reaktion auf jegliche Art von Stress beschreibt.

Transaktionales Stress-Modell nach Lazarus

Transaktionales Stress-Modell nach Lazarus

Das transaktionale Stress-Modell nach Lazarus, auch bekannt als Theorie der transaktionalen Stressbewertung, wurde von dem Psychologen Richard Lazarus (1922 – 2002) entwickelt. Es beschreibt, wie Menschen Stress erleben und bewältigen.   

Das Modell basiert auf der Annahme, dass Stress ein Ergebnis der individuellen Bewertung einer Situation ist, und nicht nur von der objektiven Natur der Situation selbst. Lazarus betont den subjektiven Charakter von Stress und betont die Bedeutung der individuellen Wahrnehmung und Interpretation von Ereignissen.

Das transaktionale Stress-Modell nach Lazarus besteht aus zwei Hauptkomponenten:

  1. Primäre Stressbewertung: Bei der primären Stressbewertung bewertet eine Person eine Situation als irrelevant, positiv oder stressig. Eine Situation wird als stressig betrachtet, wenn sie als schädlich, bedrohlich oder herausfordernd eingeschätzt wird. Die primäre Stressbewertung hängt von individuellen Merkmalen, Erfahrungen und Werten ab.
  2. Sekundäre Stressbewertung: Nach der primären Stressbewertung folgt die sekundäre Stressbewertung. Hier bewertet eine Person ihre eigenen Bewältigungsmöglichkeiten (Coping-Ressourcen) und die Verfügbarkeit von sozialer Unterstützung, um mit der als stressig bewerteten Situation umzugehen. Diese Bewertung bestimmt die Art und Intensität der Stressreaktion.

Das Modell betont auch den transaktionalen Charakter von Stress. Das bedeutet, dass die Stressbewertung und -reaktion einer Person im Laufe der Zeit und mit neuen Informationen überarbeitet werden können. Es ist also ein komplex aufeinander aufbauendes Wechselbeziehungssystem mit einem kontinuierlichen Prozess der Bewertung und Anpassung an die Umwelt.

Das transaktionale Stress-Modell von Lazarus hat einen großen Einfluss auf das Verständnis von Stress und Coping in der Psychologie. Es betont die Bedeutung der individuellen Wahrnehmung von Stressoren und unterstreicht die Rolle der persönlichen Ressourcen und der sozialen Unterstützung bei der Stressbewältigung.

Theorie der Ressourcenerhaltung nach Hobfoll

Die Theorie der Ressourcenhaltung nach Stevan E. Hobfoll (geb. 1950), auch COR-Theorie (Conservation of Resources) genannt, baut auf dem transaktionalen Stressmodell von Richard Lazarus auf und postuliert, dass Menschen bestrebt sind, ihre Gesundheit zu schützen, indem sie kontinuierlich ihre Ressourcen und Fähigkeiten wieder aufbauen. Stress wird in dieser Theorie als Verlust von Ressourcen betrachtet.

Kurz gesagt könnte man nach Hobfoll sagen: Stress = Verlust von Ressourcen

Nach der COR-Theorie wird angenommen, dass der Verlust oder die Bedrohung von Ressourcen zu Stressreaktionen führt, während der Erwerb und der Zugang zu Ressourcen das Wohlbefinden und die Anpassungsfähigkeit steigern. Die Theorie betont auch, dass der Verlust von Ressourcen schwerwiegender sein kann als der Erwerb neuer Ressourcen und dass der Schutz bereits vorhandener Ressourcen eine wichtige Rolle spielt.

Die COR-Theorie hat Anwendung in verschiedenen Bereichen der Psychologie und Organisationsforschung gefunden. Sie erklärt beispielsweise das Phänomen des Burnouts, bei dem ein Ungleichgewicht zwischen den Ressourcen einer Person und den Anforderungen der Umgebung zu Erschöpfung und psychischer Belastung führen kann. Die Theorie hat auch Implikationen für die Gestaltung von Arbeitsumgebungen und die Förderung des Wohlbefindens von Mitarbeitern.

Insgesamt geht es bei der Theorie der Ressourcenerhaltung darum, wie Menschen ihre Ressourcen schützen und erweitern, um ihr psychisches Wohlbefinden zu fördern und sich den Herausforderungen des Lebens anzupassen.

In Hobfolls Stressmodell werden vier Arten von Ressourcen unterschieden: Bedingungsressourcen, Objektressourcen, persönliche Ressourcen und Energieressourcen.

  1. Bedingungsressourcen: Dies sind Ressourcen, die sich aus der Umwelt ergeben, wie beispielsweise finanzielle Mittel, Wohnsituation, Bildungschancen oder sozialer Status.
  2. Objektressourcen: Hierbei handelt es sich um materielle Ressourcen, die einer Person zur Verfügung stehen, wie beispielsweise Geld, Eigentum oder Zugang zu bestimmten Einrichtungen. Objektressourcen können das Gefühl der Sicherheit und Stabilität verstärken und eine gewisse Autonomie ermöglichen.
  3. Persönliche Ressourcen: Diese Ressourcen sind eng mit den individuellen Eigenschaften, Fähigkeiten und Stärken einer Person verbunden. Dazu gehören zum Beispiel persönliche Merkmale wie Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, emotionale Intelligenz oder soziale Kompetenzen. Persönliche Ressourcen können eine wichtige Rolle bei der Bewältigung von Stress spielen, indem sie zu einem positiven Selbstbild und einem Gefühl der Kontrolle beitragen.
  4. Energieressourcen: Hierbei handelt es sich um die physische und psychische Energie einer Person. Dazu zählen zum Beispiel körperliche Gesundheit, Vitalität, Ausdauer und emotionale Stabilität. Energieressourcen sind entscheidend für die Aufrechterhaltung einer angemessenen Stressbewältigungsfähigkeit und können durch eine gesunde Lebensweise, ausreichende Erholung und den Umgang mit emotionalen Belastungen gefördert werden.

Hobfoll hat zwei Prinzipien in seinem Stressmodell: Den Verlust und den Gewinn von Ressourcen.

Erstes Prinzip: Ressourcenverluste wirken sich stärker auf den Menschen aus, wie der Gewinn von Ressourcen
Zweites Prinzip: Ressourcen müssen investiert werden, damit sich der Mensch vor Verlust schützen und neue Ressourcen gewinnen kann.

Erstes Prinzip nach Hobfoll: Verlust von Ressourcen haben stärkere Auswirkung

Ressourcenverluste wirken sich stärker auf den Menschen aus als der Gewinn von Ressourcen. Gemäß diesem Prinzip hat der Verlust von Ressourcen einen stärkeren Einfluss auf das Wohlbefinden und den Stresslevel einer Person als der Gewinn von Ressourcen. Wenn eine Person Ressourcen verliert, kann dies zu negativen emotionalen Reaktionen, einem Gefühl der Bedrohung und einem Anstieg des Stressniveaus führen. Verluste werden als besonders belastend angesehen, da sie die verfügbaren Ressourcen und die Fähigkeit einer Person, mit Stressoren umzugehen, reduzieren.

Zweites Prinzip nach Hobfoll: Menschen investieren Ressourcen um sich vor Verlust zu schützen

Ressourcen müssen investiert werden, um sich vor Verlust zu schützen und neue Ressourcen zu gewinnen. Das zweite Prinzip von Hobfolls Stressmodell besagt, dass Ressourcen aktiv verwaltet und investiert werden müssen, um sich vor Verlusten zu schützen und neue Ressourcen zu gewinnen. Menschen gehen verschiedene Strategien ein, um ihre Ressourcen zu erhalten und zu erweitern, wie zum Beispiel soziale Unterstützung suchen, berufliche Weiterbildung, finanzielle Investitionen oder die Pflege persönlicher Beziehungen. Durch den gezielten Einsatz und die Investition von Ressourcen können Menschen ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressoren stärken und ihre Chancen verbessern, neue Ressourcen zu gewinnen.

Das Stressmodell von Hobfoll betont also die dynamische Natur von Ressourcen und ihren Einfluss auf das individuelle Stresserleben. Es besagt, dass Verluste von Ressourcen einen starken Einfluss haben und dass der aktive Einsatz und die Investition von  Ressourcen wichtig sind, um sich vor Verlusten zu schützen und neue Ressourcen zu gewinnen.

Stressampel nach Kaluza

Der Begriff “Stressampel” wurde von dem deutschen Psychologen und Stressforscher Prof. Dr. Gert Kaluza (geb. 1955) geprägt.

Stressampel nach Kaluza

Stressoren: Die erste Aussage („Ich gerate in Stress, wenn …“) beschäftigt sich mit etwas, was von außen kommt, ist jetzt zunächst nicht von der Person beeinflussbar.

Persönliche Stressverstärker: Mit der Aussage „Ich setze mich selbst unter Druck, wenn …“ kann die Person reflektieren, was er selbst dazu beiträgt, dass der Stress auch so ein richtiger Stress wird.

Stressreaktion („Wenn ich im Stress bin, dann …): Welche körperlichen oder psychischen Stressreaktionen lassen sich feststellen oder beobachten?

Das Modell ist eine einfache Visualisierung für den typischen Stressablauf und Basis für Lösungsansätze.

Von Kaluza gibt es auch die sogenannte Erholungsformel:

Erholung = (A + 2E) * S

A – Abschalten: Alles, was man in der Freizeit tut, sollte man dazu tun, abzuschalten.
E – Entspannen: Körperliche Anspannung lösen und eine innere Haltung der achtsamen Gelassenheit entwickeln
S: Selbstfürsorge, also gut zu sich selbst sein. Dazu gehören: Achtsamkeit (eigene Stimmungen und Bedürfnisse achtsam wahrnehmen), Selbstakzeptanz (eigene Stimmungen und Bedürfnisse annehmen) und Selbstmitgefühl (empathisch mit sich selbst sein, v.a. dann, wenn es einem nicht gut geht)

Unsere persönliche Stresskompetenz

Nun habe ich schon viel zum Thema Stress  bzw. Stressmanagement geschrieben. Aber jetzt mal konkret die Frage: Welche Möglichkeiten des Umgangs mit Stress habe ich? Wie kann ich meine persönliche Stresskompetenz steigern?

Im Folgenden werden über vier Kompetenzfelder Möglichkeiten des Umgangs mit Stress sowie der eigenen Stressbewältigung vorgestellt.

Die ersten drei Kompetenzfelder haben dabei jeweils unterschiedliche Ansatzpunkte und lauten:

  1. Instrumentelle Stresskompetenz: Zielt direkt auf die Stressoren.
  2. Mentale Stresskompetenz: Hat die persönlichen Stressverstärker (die inneren Antreiber) im Fokus.
  3. Regenerative Stresskompetenz: Hat als Ansatzpunkt die Stressreaktionen.

Das vierte Kompetenzfeld ist: Achtsamkeit

Instrumentelle Stresskompetenz

Instrumentelle Stresskompetenz

Ansatzpunkt: Stressoren

Instrumentelle Stresskompetenz hat den Fokus darauf, äußere Belastungen und Anforderungen im beruflichen und privaten Leben zu verändern, zu verringern oder ganz abzubauen. Das ultimative Ziel besteht darin, den eigenen Alltag stressfreier zu gestalten und Stress von Anfang an zu verhindern. Dabei gibt es verschiedene Ansätze, um instrumentelle Stresskompetenz zu entwickeln.

Hier ein paar Beispiele:

Erweiterung fachlicher Kompetenzen: Das kann durch Informationsbeschaffung, Weiterbildung sowie Austausch mit Kollegen erfolgen. Durch den Erwerb von neuem Wissen und Fähigkeiten kann man besser mit den Herausforderungen umgehen, die Stress verursachen.

Veränderung in Organisation und Ablauf: Hier könnte man über eine effektive Aufgabenverteilung, eine sorgfältige Ablaufplanung und die Einführung geeigneter Ablagesysteme im Team nachdenken.

Selbstmanagement: Klare Prioritäten setzen, realistische Zeitpläne aufstellen oder auch Aufgaben delegieren sind nützliches Handwerkszeug, um Stress von Haus aus zu eliminieren oder klein zu halten.

Grenzen setzen: Ein ab und zu bewusst gesetztes “Nein”, “Ohne mich” oder “Jetzt nicht” setzt Grenzen und kann entlasten.

Rückhalt über Netzwerk suchen: Ein Netzwerk kann ebenfalls helfen, positive Beziehungen aufzubauen und von anderen Menschen zu lernen. Es ist keine Schwäche, um Hilfe zu bitten und sich helfen zu lassen. Durch die Unterstützung anderer kann man besser mit Stress umgehen und die eigenen Belastungen reduzieren.

Mentale Stresskompetenz

Mentale Stresskompetenz

Ansatzpunkt: Persönliche Stressverstärker

Bei der mentalen Stresskompetenz geht es darum, sich selbstkritisch eigener stresserzeugender oder -verschärfender Einstellungen und Bewertungen bewusst zu werden, diese allmählich zu verändern und förderliche Einstellungen und Denkweisen zu entwickeln.

Hier ein paar Beispiele:

  • Seine inneren Antreiber und somit auch potentiell persönliche Stressverstärker kennen
  • Perfektionistische Leistungsansprüche kritisch überprüfen und eigene Leistungsgrenzen akzeptieren lernen
  • Schwierigkeiten nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung sehen
  • Sich mit alltäglichen Aufgaben weniger persönlich identifizieren, sondern gewisse inneres Distanz wahren
  • Sich nicht im alltäglichen Kleinkrieg verlieren, sondern vielmehr den Blick für das „Wesentliche“ bewahren.
  • Sich des Positiven, Erfreulichen und Gelungenen bewusst werden und dafür Dankbarkeit empfinden.
  • An unangenehmen Gefühlen von Verletzung oder Ärger nicht kleben bleiben, sondern diese bestmöglich loslassen

Regenerative Stresskompetenz

Regenerative Stresskompetenz

Ansatzpunkt: Stressreaktionen

Nicht alle (äußeren und inneren) Stressfaktoren können (oder sollen) vermieden, abgebaut oder vermindert werden. Es ist daher unvermeidlich, dass Stressreaktionen immer wieder auftreten. Bei einer regenerativen Stresskompetenz geht es darum, körperliche und psychische Anspannungen zu dämpfen und abzubauen, für regelmäßige Erholung zu sorgen und damit langfristig die eigene Belastbarkeit zu erhalten.

Erneut ein paar Beispiele:

  • Regelmäßige Bewegung, sportliche Aktivitäten, Rückenschule (bei Bedarf)
  • Gesunde, abwechslungsreiche Ernährung
  • Pflege sozialer Kontakte
  • Regelmäßiger Ausgleich durch Hobbies und Freizeitaktivitäten
  • Ausreichend Schlaf
  • Geregelter Tagesablauf mit ausreichend Pausen zwischendurch
  • Pausen richtig machen (durch Raumwechsel, Tätigkeitswechsel oder Inhaltswechsel)
  • Beendigung des Arbeitsalltags durch einen symbolischen Schlussstrich (z.B. Kleidungswechsel)
  • Praktizieren von Entspannungstechniken

Achtsamkeit

Durch Achtsamkeit wird versucht, den Geist zu beruhigen, den sogenannten “Monkey Mind” zu zähmen und aus dem automatischen “Nexting” – dem ständigen Gedanken an das Nächste – auszusteigen. Es geht darum, die Aufmerksamkeit bewusst zu lenken, den Moment zu akzeptieren und eine nicht-wertende Haltung einzunehmen, um eine tiefere Verbindung zu uns selbst und unserer Umgebung herzustellen.

Achtsamkeit umfasst sowohl eine Haltung als auch konkrete Übungen oder Praktiken, um diese Haltung zu entwickeln und zu kultivieren.

Achtsamkeit würde ich über folgende vier Punkte beschreiben:

  1. Bewusster Fokus und Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments: Achtsamkeit beinhaltet die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment. Es geht darum, mit allen Sinnen präsent zu sein Die Atmung, körperliche Empfindungen, Gedanken oder Gefühle sind fokussiert im Hier und Jetzt.
  2. Akzeptanz ohne Wertung: Achtsamkeit bedeutet, die Realität anzunehmen, wie sie ist, ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen. Es geht darum, einen Raum des akzeptierenden Gewahrseins zu schaffen, in dem Gedanken, Gefühle und Empfindungen auftauchen und wieder vergehen können, ohne dass wir uns von ihnen vereinnahmen lassen.
  3. Regelmäßige Praxis zur (Weiter-)Entwicklung der Achtsamkeit: Achtsamkeit ist eine Fähigkeit, die durch regelmäßige Übung entwickelt und gestärkt werden kann. Durch Meditation, Atemübungen oder andere achtsame Praktiken können wir unsere Fähigkeit zur bewussten Wahrnehmung und zum gegenwärtigen Sein trainieren und vertiefen.
  4. Integration der Achtsamkeit in den Alltag: Achtsamkeit beschränkt sich nicht nur auf formale Übungen, sondern soll in den Alltag integriert werden. Es geht darum, achtsam zu sein, während wir unsere täglichen Aktivitäten ausführen, sei es beim Essen, beim Gehen oder bei der zwischenmenschlichen Interaktion. Die Integration von Achtsamkeit in den Alltag hilft uns, präsenter, gelassener und bewusster zu sein.

Hier zwei ganz einfache Achtsamkeitspraktiken für den Alltag:

  • Monotasking anstatt Multitasking
  • Den täglichen (mehrmaligen) Routinegang zu Drucker zu Entschleunigungsstrecken umzuformen

Abschluss mit Video